Oft ist zu hören: „Wir müssen schneller und schlanker werden“. Viele Mitarbeiter wären dazu bereit, doch interne Strukturen und Prozesse hindern sie oft. Die erste Erkenntnis der Oberen müsste sein: Die wahren Bremser, das sind wir selbst.
Natürlich weiß jeder, dass ein Unternehmen sich wandeln muss, damit es auch in Zukunft floriert. Vorwärtsdenker und ihre schnell umsetzbaren Initiativen sind heute wichtiger als jemals zuvor. Doch Angst vor der Ungewissheit bremst viele Entscheider aus. So halten sie am Üblichen, Vertrauten, Altbewährten fest, weil man damit bislang erfolgreich war. Doch Etabliertes ist per se schon veraltet, zumal es die Konkurrenten dann ebenso machen.
Nicht Allerweltsaktivitäten, sondern das Besondere, Faszinierende, Bemerkenswerte hat eine strahlende Zukunft. Also werden frische, freche, couragierte Ideen gebraucht. Doch solche Ideen sind sehr zerbrechlich und werden leicht totgetrampelt. Ihnen und ihren Schöpfern weht oft eine steife Brise entgegen, weil sie sich gegen Mutlosigkeit, Risikoscheue, Bedenkenverbreiter und Geht-nicht-Sager zur Wehr setzen müssen.
Märkte, die noch nicht existieren, können nicht analysiert, höchstens hoffnungsvoll vorgedacht werden. Ein Alptraum für den klassischen Manager. Der will keine Abenteuer, sondern exakte Zahlen und einen fixen Plan, sozusagen eine Vollkaskoversicherung für neue Ideen. Das zwingt alle im Unternehmen zu Kleinmut und Konformismus.
Hätten sich alle Menschen immer an das Etablierte gehalten, säßen wir noch heute in der Savanne. Es waren die furchtlosen Freigeister und klugen Weiterdenker, die mit Entdeckerfreude, Gestaltungslust, neugierigem Infragestellen und kreativen Ideen Konventionen durchbrachen und erste Trittsteine ins Neuland legten. Sie brachten zu allen Zeiten die Menschheit voran und führten uns dahin, wo wir heute sind.
Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann – tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde. – Margaret Mead, Kulturanthropologin
Leidenschaft, Überzeugungskraft und Tatendrang werden benötigt, um neue Denk- und Handlungsmuster in die Welt zu bringen und andere zu überzeugen. Die, die das tun, brauchen zudem Unterstützung. Schließlich müssen sie „trommeln“ und ihre Sache gut vertreten: durchdacht, nachdrücklich, geduldig und zugleich emphatisch.
Denn nicht nur das Fachliche zählt. Auch das Emotionale spielt eine maßgebliche Rolle. Neue Initiativen müssen anschlussfähig und annehmbar sein. Kommunikationstalent, Diplomatie, taktisches Geschick und das Verständnis für zutiefst menschliche Belange sind hier entscheidend – vor allem dann, wenn es um größere Vorstöße geht.
Bei größeren Vorstößen ist es geradezu ideal, wenn man an höherer Stelle einen aktiven Förderer und Fürsprecher, sozusagen einen Schutzpatron hat. Hat man dort – aus welchen Gründen auch immer – jedoch Feinde und niemanden, der einen schützt, ist die Sache meistens schon durch, bevor sie begann.
Wer also seine Ideen durchbringen will, muss unternehmensintern die überzeugen, die als interne Influencer bekannt sind und einen direkten Draht zu Top-Entscheidern haben. Gute Kommunikatoren umgeben sich deshalb mit Vertrauten, sie scharen Follower um sich und schmieden Allianzen. Wie man das angeht?
Wer bei Veränderungsmaßnahmen vorab involviert wird und seine Gedanken beisteuern konnte, empfindet diese nicht als Bedrohung. Die, die Verbündete, Gleichgesinnte und Mitstreiter gewinnen, sind nie auf verlorenem Posten.
Die größte Schwierigkeit besteht nicht darin, Leute zu überzeugen, neue Ideen zu akzeptieren, sondern sie zu überzeugen, alte Ideen aufzugeben – John Maynard Keynes
Wandel bringt uns zwar Fortschritt, kollidiert aber zugleich mit den Beharrungstendenzen der Menschen. Jede Veränderung bedeutet, dass etwas bislang Unbekanntes entsteht, von dem niemand ganz sicher weiß, ob es besser oder schlechter sein wird als das davor. Der erste Schritt ist dabei immer der schwerste, denn er bedeutet: mit Gewohnheiten zu brechen, seine Komfortzone zu verlassen und ehemals gültige Glaubenssätze über Bord zu werfen.
Zudem mag unser Gehirn gern Routinen, weil Routinen erstens Sicherheit bringen und zweitens Energie sparen helfen. So neigen vor allem Menschen mit statischem Mindset dazu, sich an Bekanntes zu klammern und einen einmal erreichten Besitzstand zu wahren. Sie tun sich schwer, mit hoher Dynamik gänzlich Neues zu wagen.
Vor allem dann, wenn es „eng“ wird, fallen wir in Automatismen zurück und spulen das altvertraute Verhalten ab. Beim Lösen neuartiger Probleme steht uns genau das dann im Weg. Wir müssen also zunächst lernen, das, was uns nicht mehr dient, zu „entlernen“. Erst danach können neue Lösungen sowohl für alte als auch neue Probleme entstehen.
Was hindert also einen Ansprechpartner gar nicht so selten tatsächlich daran, zu einer an und für sich schlüssigen neuen Initiative Ja zu sagen? Das kann Betriebsblindheit, Selbstgefälligkeit und die Illusion der Unbesiegbarkeit sein. Oder ganz einfach Angst:
Manche Gehirne sind, wenn es um Wandel geht, ungemein gut darin, sich geradezu apokalyptische Szenen auszumalen. Selbst wenn solche Ängste unbegründet sein sollten, für den Betroffenen sind sie real. So wird, kein Wunder, dringend notwendiger Wandel oft aus purem Selbstschutz boykottiert. Wie man dagegen angehen kann, habe ich in meinem Buch „Die Orbit-Organisation“ in neun Schritten skizziert.