VUCA, oder: Die Kunst ein Unternehmen richtig zu steuern

VUCA, oder: Die Kunst ein Unternehmen richtig zu steuern

 
15. Oktober 2018

Manche Unternehmen überwinden Krisen erfolgreich, während andere grandios scheitern. Die Gründe sind vielfältig. VUCA bietet Unternehmen einen Ansatz, zu erkennen,  welche Faktoren für sie relevant sind und welche Maßnahmen in einer sich immer schneller verändernden Welt Erfolg versprechen.

Zahlreiche große und mittlere Unternehmen erleben aktuell, dass die Vielzahl von Veränderungen neue Anforderungen an Führung und Management von Unternehmen stellen. Diese können auch zu Krisen führen. Unternehmen wie Adidas, Heidelberger Druckmaschinen oder T-Mobile haben diese Erfahrungen gemacht und einen erfolgreichen Turnaround geschafft.

Unsere Welt ist „VUCA“

VUCA steht als Akronym für „volatility“, „uncertainty“, „complexity“ und „ambiguity”. Diese Eigenschaften beeinflussen eine sich durch Digitalisierung und technologischen Fortschritt immer schneller verändernde Unternehmenswelt. Das US Army War College definierte den Begriff In den späten 1990er Jahren, um die volatilere, unsicherere, komplexere und mehrdeutige Welt, die aus dem Ende des Kalten Krieges resultierte, zu erklären.

Digitales Leadership in der VUCA-Welt

Überblick und Lösungsansätze für digitales Leadership in der VUCA-Welt.

Doch was bedeutet es für Unternehmensführer, Manager und Führungskräfte, in einer VUCA-Welt am Ruder zu sitzen und dabei erfolgreich zu sein? Und was hat VUCA mit digitalem Leadership zu tun?

Im folgenden werden die einzelnen Elemente näher unter die Lupe genommen.

Volatilität – oder die Masse an Schwankungen

Volatilität entwickelt sich, wenn Marktteilnehmer ihre Meinung ändern, der Unternehmenswert sinkt bzw. steigt. Dies kann durch Wirtschaftsmeldungen, politische Signale und disruptive Entwicklungen herbeigeführt werden. Je höher das Ausmaß der Marktschwankungen ausfällt, was sich z. B. in Preisen, Aktien- und Devisenkursen und Zinssätzen widerspiegelt, desto volatiler ist der Finanzmarkt und desto höher die Risiken für ein Unternehmen. Besonders im ersten Halbjahr 2018 waren die Märkte volatiler als im Vorjahr und wiesen höhere Marktschwankungen auf, was sich auf die Drohung von Strafzöllen der US-Regierung, den Brexit oder neue Technologien wie der Kryptowährung zurückführen lässt.

Um einem Aktieneinbruch bzw. schwankenden Bewertungen des eigenen Unternehmens oder z. B. steigenden/schwankenden Preisen bei Rohstoffen entgegenhalten zu können, bedarf es einer starken Unternehmensvision. Eine wirksame Vision dient als Wegweiser und zeichnet ein Bild der Zukunft des Unternehmens. Sie stellt Identität in der Belegschaft mit dem Unternehmen her. Dies sind alles wichtige Eigenschaften, die Führungskräfte und Mitarbeiter auch in Krisenzeiten Halt gibt und lenkt.

Im zweiten Schritt ist eine starke Unternehmensmarke ein damit einhergehendes Employer Branding unerlässlich. Eine starke Marke erzielt eine hohe Anziehungskraft bei allen Stakeholdern und gibt ein Markenversprechen wieder. Das Markenversprechen umfasst die funktionalen und emotionalen Aspekte der Marke und zeigt den Stakeholdern, was diese von Ihrem Unternehmen erwarten dürfen. Dadurch wird ein Unternehmen als wertig und vertrauenswürdig wahrgenommen, was zu einem Good-Will bei Mitarbeitern und Kunden führt. Dieser Good-Will und der Glaube an die Marke sind ebenfalls wichtige Faktoren um Krisen erfolgreich zu überstehen.

Unsicherheit – oder die Kunst der fehlenden Prognosen

Jedes Jahr von September bis Dezember finden in den meisten Unternehmen die Jahresplanung und Zielsetzung für das darauffolgende Jahr statt. Viele Unternehmen addieren auf die realisierte Jahresleistung das gewünschte Wachstum und legen dies als neuen Zielwert für das kommende Jahr fest. Globalisierung, Volatilität und unvorhersehbare Krisen machen jedoch die Realisierung dieser Ziele und Prognosen immer schwieriger, sodass eine gewisse Unsicherheit eintritt.

Wenn man den Begriff Unsicherheit genauer interpretiert, kann dieser in zwei Faktoren gespalten werden: der Unsicherheit im engeren Sinne und dem Risiko. Ein Risiko ist eine Kennzeichnung der Eventualität, dass mit einer (ggf. niedrigen, ggf. auch unbekannten) Wahrscheinlichkeit ein (ggf. hoher, ggf. in seinem Ausmaß unbekannter) Schaden bei einer (wirtschaftlichen) Entscheidung eintritt oder ein erwarteter Vorteil ausbleiben kann[i]. Risiken strukturiert im Unternehmen zu erkennen und Maßnahmen im Rahmen des Risikomanagements zu erarbeiten, ist für Unternehmen unerlässlich. Auf der anderen Seite wird dieses Thema durch unterschiedlichste Gesetze vom Gesetzgeber gefordert. Die wichtigsten Gesetze zum Thema Risikomangement sind unter anderem im Bilanzrechtsmodernisierungsgesetze BilMoG und BilReg, Sarbanes-Oxley-Act sowie TransPuG zu finden. Darüber hinaus werden Mindestanforderungen an das Risikomanagement im MARisk (BA), bei den Anforderungen des Deutschen Coporate Governance Kodex (DCGK), sowie in den DIN ISO Normen 31000 beschrieben.

Im Gegensatz zum Risiko kann man bei der Unsicherheit im engeren Sinne keine Eintrittswahrscheinlichkeit ermitteln, wodurch sich die Unsicherheit nicht bewerten und steuern lässt. Dabei kommt die Frage auf, welche Möglichkeiten Führungskräfte in diesen unsicheren Zeiten haben, um trotzdem ein Unternehmen erfolgreich zu leiten.

Aus Sicht der Unternehmens- und Mitarbeiterführung ist es umso wichtiger, den Mitarbeiter und den Markt im Detail zu verstehen. Eine Lösung hierfür ist die nutzerzentrierte Führung. Unternehmen werden sich zukünftig noch stärker auf den „Mensch“ fokussieren müssen. Mit diesem Ansatz werden Mitarbeiter nicht mehr als Durchführungsgehilfen gesehen, sondern als interne „Kunden“ betrachtet und behandelt. Um Maßnahmen aus der nutzerzentrierten Führung abzuleiten, können Tools der nutzerzentrierten Produktentwicklung adaptiert werden.

Eine Möglichkeit der Umsetzung der nutzerzentrierten Führung ist die Adaption des Value Proposition Canvas als Führungsinstrument für einzelne Mitarbeiter oder – je nach Unternehmensgröße – für Mitarbeitergruppen.

Adaption Value Proposition Canvas für die nutzerzentrierte Führung

Adaption Value Proposition Canvas für die nutzerzentrierte Führung

Die größere Herausforderung für Unternehmen wird jedoch sein, das Umdenken der Führungskräfte und Manager in Bezug auf ein neues Führungsverständnis herbeizuführen.

Nutzerzentrierte Führung mit Adaption Value Proposition Canvas

Hinweise für die nutzerzentrierte Führung in der Vuca-Welt durch den Adaption Value Proposition Canvas.

Komplexität – oder das Leben im Labyrinth

Komplexität entsteht immer dann, wenn die Anzahl der zu berücksichtigenden Einflussgrößen wächst, die Interdependenzen zwischen Einflussgrößen ausgeprägter sind und zusätzlich verschiedenartigste Einflussgrößen berücksichtig werden müssen.

Gemeinsam mit einer starren, aufgeblähten Organisationsstruktur wird es somit immer schwieriger, (richtige und langfristige) Entscheidungen zu treffen und Innovationen zu fördern.

Eine Möglichkeit, Komplexität zu reduzieren ist, komplexe Themenstellungen zu teilen (innerhalb eines Unternehmens, aber auch außerhalb der Unternehmensstrukturen). Ein geeignetes Format hierfür ist im Innovationsbereich „Open Innovation“. Bei dieser Methode öffnen sich Unternehmen der „Außenwelt“ und erhalten durch unterschiedliche Formate (Hackathons, Ideenwettbewerbe, Ideenplattformen) Herangehensweisen und Know-how von Experten und Organisationen, die nicht dem Unternehmen angehören.

Interne Strukturen und Entscheidungsfindungen können durch agile und flache Hierarchiestrukturen, moderne Kommunikationsmethoden und einer neuen Führungsstrategie, wie zum Beispiel Objectives and Key Results (OKR), verbessert werden. Erfolgreich implementierte Kommunikationstools wie z. B. Slack oder Teams führen zu einer besseren und schnelleren Teamorganisation und einer Verflachung der Hierarchiegefälle in der Kommunikation. Komplexität im Unternehmen kann aber vor allem durch eine veränderte Zielvereinbarung verringert werden. Bei OKR werden im ersten Schritt Ziele festgelegt und diese messbaren Schlüsselergebnisse (Key Results) zugeordnet. Key Results werden für einen bestimmten Zeitraum (im Normalfall 3 Monate) definiert. Nach diesem Zeitraum wird ein Review durchgeführt und neue Key Results erstellt. Durch diese kürzer angelegten „Sprints“ kann flexibel auf kurzfristige Geschehnisse reagiert werden, ohne das „Große Ganze“ aus dem Auge zu verlieren.

Ambiguität (Mehrdeutigkeit) – Grau ist das neue Weiß

Hinter der Mehrdeutigkeit im Managementkontext verbirgt sich die Herausforderung, dass Entscheidungen immer undurchsichtiger und komplexer werden. Dies lässt sich u. a. darauf zurückführen, dass es immer schwieriger wird, Informationen richtig zu bewerten und somit einfache Interpretationen von Ursache-Wirkung-Zusammenhängen immer seltener werden. Viele Unternehmen versuchen diese Herausforderung mit dem Sammeln von noch mehr Daten und Informationen auszugleichen, was bei mangelnden Kenntnissen im Bereich von Big Data bzw. falscher Interpretation der Daten zur Verlangsamung der Unternehmensprozesse und zu falschen Entscheidungen führt. Es ist nicht mehr alles Schwarz oder Weiß.

Gut zu erklären ist dieses Phänomen am einfachen Beispiel „Wechsel eines Kunden bzw. Kündigung eines Vertrages“. Sehr vereinfacht dargestellt waren in der Vergangenheit entweder ein günstigeres Angebot der Konkurrenz von nebenan oder Qualitätsunterschiede die Hauptgründe eines Wechsels zu einem anderen Anbieter. Heute kann diese Entscheidung zusätzlich durch Globalisierung, Disruption von Geschäftsmodell durch z. B. Amazon oder die sich immer schneller verändernde Kundenanforderungen ausgelöst werden. Eine genaue Zuordnung der Gründe ist oft nicht mehr möglich.

Eine Möglichkeit Licht ins Dunkle zu bringen ist eine iterative und testende Herangehensweise, wie z. B. die Lean Startup Methode. Bei der Lean Startup Methode stehen schlanke Prozesse und das Lernen durch iteratives und kundenzentriertes Testen im Fokus. Durch kontinuierliches Kundenfeedback und das Testen von Hypothesen erhält man sehr früh Rückschlüsse auf die aktuelle Produktentwicklung. Durch diese agile Herangehensweise wird der Entwicklungsprozess schlank gehalten und die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns reduziert.

Dieser agile Ansatz lässt sich aber nicht nur in der Produktentwicklung anwenden. Ein herausragendes Beispiel für agile Unternehmensführung ist das Unternehmen sipgate. Unternehmensweit werden unterschiedlichste Methoden wie z. B. der Open Friday (Openspace-Veranstaltung für alle Mitarbeiter jeden 2. Freitag), Arbeiten in sich selbstorganisierenden Teams ohne mittlerem Management und OKRs eingesetzt. Bei dem Format „Open Friday“ wird in regelmäßigen Veranstaltungen mit einem Open Space Ansatz an Ideen von Mitarbeitern gearbeitet. Sipgate arbeitet vollständig in selbstorganisierten Team, was dazu führt, dass selbst Einstellungen neuer Mitarbeiter durch das Team entschieden werden. Das Team ist ebenfalls für die Ergebnisse und Erfolge, aber natürlich auch für Fehler und Misserfolge verantwortlich. Durch adaptierte Ergebnistypen von SCRUM auf Unternehmensebene werden regelmäßige Reviews, eine Feedbackkultur und kontinuierliche Weiterentwicklung gefördert.

Fazit: VUCA zeigt neue Wege auf

Eigentlich müssten sich Unternehmen schon immer mit Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität beschäftigt haben? Aber es gibt Gründe warum Unternehmen Krisen überstehen, die Fähigkeit besitzen Turnarounds zu schaffen und Geschäftsmodelle anzupassen, während andere, oft alteingesessene, Unternehmen es nicht schaffen. VUCA bietet hierfür einen neuen Rahmen und zeigt Handlungsoptionen für aktuelle Herausforderungen in der Unternehmensführung.

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Mareike Schäfer
Über
Mareike Schäfer
Mareike Schäfer ist Managerin bei der Think-Tank Beratung #FORTSCHRITT: Sie treibt die Themen nutzerzentrierte Führung und nutzerzentrierte Produktentwicklung und begeistert sich für den Bereich Innovationsmanagement.
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