Tanzen wird digital – oder die Grenzen der Digitalisierung

Tanzen wird digital – oder die Grenzen der Digitalisierung

 
19. März 2018

Alles was digitalisierbar ist, wird digitalisiert werden. Auch eine Tanzschule? Gerade die müsse es tun, meint Tanzlehrer Uwe Künkler im Gespräch. Nur so könne man weiterhin die relevanten Zielgruppen erreichen.

Tanzschulen haben es nicht immer leicht. Traditionelle Zielgruppen und Anlässe zum Tanzen sind im Wandel begriffen im Zeitalter von YouTube, Rap und Freestyle haftet ihnen leicht ein Image der Vergangenheit und überkommener Rituale an. Kann hier die Digitalisierung helfen?

Uwe Künkler ist seit 30 Jahren Tanzlehrer

Uwe Künkler ist seit 30 Jahren Tanzlehrer und hat schon früh seine Leidenschaft und sein Talent zu seinem Beruf gemacht.

Uwe Künkler ist seit 30 Jahren Tanzlehrer. Gemeinsam mit seiner Frau betreibt er eine Tanzschule am Rande des Rhein-Main-Gebietes. Im Interview mit Transformations-Magazin.com beschreibt er aus Sicht eines mittelständischen Unternehmers die erfolgreiche Digitalisierung mit begrenztem Budget. Sie beruht auf einer konsequenten strategischen Ausrichtung und der Leidenschaft für seinen Beruf und seine Mission.

„Tanzen ist auch ein Spiegel der aktuellen gesellschaftlichen Situation“

Transformations-Magazin: Ist Tanzen im Zeitalter digitaler Kommunikation noch zeitgemäß?

Uwe Künkler: Ich werde immer wieder gefragt, ob Gesellschaftstanz denn überhaupt noch bei Jugendlichen gefragt sei. Ich gebe zu, dass es immer ein Auf und Ab gegeben hat. Aber der Besuch eines Tanzkurses ist mehr, als Schritte zu lernen und sie auf Musik umzusetzen.

Tanzen ist Kommunikation, Ausdruck von Gefühlen und immer auch ein Spiegel der aktuellen gesellschaftlichen Situation. Getanzt wurde immer. Die Freude an Bewegung und persönlicher Ausdruck zu zeitgemäßer Musik ist ungebrochen. Diese Freude wird andauern und auch die digitale Transformation und andere Revolutionen überdauern.

Transformations-Magazin: Aber es hat sich doch gesellschaftlich viel verändert…?

Ja, aber das ist nichts Neues. Tanzschulen mussten sich schon immer anpassen. Im zu Ende gehenden Zeitalter des Kaiserreiches wurde getanzt und es wurde auch in und nach der Umbruchphase der 20er Jahre wieder vermehrt getanzt. Jedoch waren es andere Tänze und Gebräuche und technische Möglichkeiten, wie elektrische Verstärker und Radios. Musik konnte damals auf einmal mit deutlich geringerem Aufwand auf Wunsch transportiert und verstärkt werden und die gesellschaftlichen Regeln, Anstandsformen und Kleidung und Tänze änderten sich schlagartig. Etwas Ähnliches gab in der Nachkriegszeit und in den 50er Jahren. Es wurde wieder getanzt und wieder alles verändert.

Transformations-Magazin: Digitalisierung eines Tanzstudios? Das klingt zunächst einmal kurios. Wie kam es dazu?

Uwe Künkler: Der Gedanke, die Tanzschule an das digitale Zeitalter anzuschließen, kam 1997 von einem guten Freund, der sich mit einem kleinen Programmierunternehmen selbstständig gemacht hatte. Er empfahl uns, eine kleine Internetseite für die Tanzschule entwerfen zu lassen. Das Internet war noch langsam und wir konnten uns gar nicht vorstellen, dass es sich einmal so rasant entwickeln würde. So war die damalige erste Mailadresse „tskuenkler@aol.com“ für mich ein Ausdruck, den sich, so dachte ich noch, doch keiner merken kann. Aber die an uns herangetragene Weitsicht war ausschlaggebend für mein Interesse an dieser Entwicklung.

 „Nur weil es noch keiner versucht hat, heißt es nicht, dass es nicht funktionieren kann.“

Transformations-Magazin: Wieviel Digitalisierung geht überhaupt in einer Tanzschule?

Für mich sind es drei wesentliche Aspekte die eine digitale Welt in der Tanzschule sinnvoll erscheinen lassen:

  • Zum ersten die interne Abwicklung und Koordination der Tanzstunden: Raumbelegungspläne, Abrechnungen, Terminkoordination mit Tanzschüler/innen, Abrechnungen sowie die Organisation von Großveranstaltungen.
  • Zum zweiten die Veröffentlichung meiner Lehrinhalte in sozialen Medien und auf meiner Homepage.
  • Und zum Dritten die Möglichkeit die Kommunikationsmöglichkeiten mittels digitaler Medien, die meine Zielgruppen nutzen.

Unter Abwägung von Kosten und Nutzen und mit Blick auf die 1997 technischen Möglichkeiten, habe ich mich zunächst für den ersten Aspekt entschieden. Mit einer Internetanbindung per 56k-Modem war noch gar nicht an Streamen von Bilder, Musik oder Videos zu denken. Das sollte noch etwas dauern und braucht die Akzeptanz der Gesellschaft.

Transformations-Magazin: Und wie ging es weiter?

Uwe Künkler: Heute heißen die Veränderungen „YouTube“, „Instagramm“, „Facebook“ „Spotify“ und daraus abgeleitet die „Überallverfügbarkeit“ von Musik, das permanente in Kontakt sein können, das „always on“ und veränderte gesellschaftliche Regeln, die in Richtung „alles geht was gefällt und keinem schadet“ geht.

Digitale Medien sollen in der Tanzschule helfen und unterstützen. Also fingen wir an, die Tanzfiguren, die wir lehren, geordnet und mit korrekten Bezeichnungen auf unserer Homepage abzubilden und in den sozialen Netzwerken zu posten. Das verschaffte uns Aufmerksamkeit und Kompetenzanmutung bei Personen und Zielgruppen, die wir bis dato nicht erreicht hatten.

„Ich möchte die Freude am Tanzen transportieren und lehren.“

Transformations-Magazin: Wo endet aus ihrer Sicht die Digitalisierung?

Uwe Künkler: Aus meiner Sicht wird die menschliche Freude an rhythmischer Bewegung zu Musik nicht enden und auch nicht digitalisierbar sein. Genauso wie gemeinsames Erleben und persönliches Kennenlernen beim Tanzen. Das war der Ausgangspunkt meiner Überlegungen, was ich als mittelständischer Unternehmer und Tanzlehrer überhaupt digitalisieren kann.

Alle digitalen Medien und deren Nutzen können keinen persönlichen Tanzkurs und dessen vielschichtige Erfahrungen ersetzen. Erfahrungen, Berührungen und die Kommunikation mit einem Partner sowie die gemeinsam erlebte positive Zeit mit Freunden werden nie digitalisierbar sein. Das habe ich nie aus den Augen verloren.

„Begrenztes Budget führt unweigerlich zu Kreativität und Suche nach optimalen Lösungen.“

Transformations-Magazin: Worin bestanden die größten Herausforderungen der Digitalisierung?

Uwe Künkler: Ein Gespräch mit unseren Bank-Betreuern zeigte uns schnell auf, dass wir tendenziell wenig Kredit für den Aufbau einer virtuellen und digitalen Welt erwarten konnten. Ein Grund mag gewesen sein, dass wir beim Start des Projektes diese noch nicht präzise beschreiben konnten.

Die Umsetzung einer guten Webseite, die sich wie eine gute Visitenkarte von anderen optisch und nutzerfreundlich abgrenzen sollte, ist eine kostenintensive Investition, wenn sie von einem externen Unternehmen durchgeführt wird. Die heute vorhandenen öffentlichen Fördertöpfe zur Unterstützung bei der Digitalisierung waren uns damals nicht bekannt. Zudem wären wir aus eigener Kraft nicht in der Lage gewesen, den Zusatzumsatz und die Ertragshebel unserer Investments zu beschreiben und zu berechnen.

Also blieb uns nur eigene Kreativität, Neugierde und das Investment unserer Zeit und Aufmerksamkeit. Wir probierten verschiedene technische Formate und technische Möglichkeiten aus. Im Ergebnis entschieden wir uns mit viel Fleiß und Freude für eine Eigenentwicklung. Hilfe holen, wo wir sie brauchten und dann selber umsetzen. Das war die lohnendste Investition, die ich allen, die sich für das Thema Digitalisierung und deren Technik interessieren, nur empfehlen kann.

Geholfen haben mir dabei meine Tochter und mein intensiver Kontakt zu Jugendlichen in meiner Tanzschule.

„Digitalisierung ist auch in kleinen konsequenten Schritten für kleinere Unternehmer möglich!“

Transformations-Magazin: Wie würden Sie das Ergebnis Ihrer digitalen Bemühungen beschreiben?

Uwe Künkler: Der Erfolg gibt mir Recht. Gemessen an Resonanz und Bekanntheit meiner Tanzschule gingen die umgesetzten Schritte in die richtige Richtung. Unser Marktgebiet wurde immer grösser.

Im Nachhinein möchte ich manches schneller umgesetzt haben. Ich bin mit und an der Umsetzung der Digitalisierung gewachsen und blicke voller Zuversicht in die digitalisierte Zukunft und freue mich wieder voll und ganz auf meinen Beruf und Leidenschaft konzentrieren zu können. Die Digitalisierung, einmal umgesetzt, gibt mir mehr Freiraum zur Gestaltung und Umsetzung meiner eigentlichen Aufgabe: Die Freude am Tanzen zu vermitteln.

Transformations-Magazin: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch!

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Dr. Peter Lender
Über
Dr. Peter Lender
Dr. Peter Lender ist geschäftsführender Gesellschafter der DIGUM GmbH, DIN-ISO-zertifizierter Nachhaltigkeitsmanager und Entwickler des DigitalisierungsAudits sowie von zahlreichen Plattformen und Ökosystemen. Als zertifizierter Sanierungsberater (IFUS-Institut) ist er u.a. Mitbegründer der Geschäftsmodell-Werkstatt, sowie der DigitalisierungsAkademie. Zuvor befasste er sich mit dem Aufbau und der Positionierung von Kunden-Service und User Experience im Rahmen der Transformation von Geschäftsmodellen. Er ist Autor von Fachbüchern und Herausgeber des T4Magazins. In Konstanz hat er hat Volkswirtschaft und in Kiel Agrarökonomie studiert und anschließend als Doktor der Agrarwissenschaften promoviert. Er ist außerdem Diplom Bankbetriebswirt (ADG).
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