Was bedeutet die 7. Novelle der MaRisk für mittelständische Unternehmungen?

Was bedeutet die 7. Novelle der MaRisk für mittelständische Unternehmungen?

 
04. Juli 2023

Kreditinstitute werden verpflichtet sein, ESG-Kriterien in ihre Risikobewertung einzubeziehen und folglich ihrer Kreditvergabestandards daran anpassen.

Die von der BaFin (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) veröffentlichte 7. Novelle der MaRisk ist für viele Mittelständler unbekannt und auf den ersten Blick nicht direkt kausal relevant. Die MaRisk (Mindestanforderungen an das Risikomanagement) geben grundsätzlich vor, wie Kreditinstitute ihre Kreditvergabestandards zu organisieren und auszurichten haben. Die neuen Anpassungen zu regulatorischen Vorgaben der 7. Novelle verpflichten Banken ab dem 29. Juni 2023 ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance – Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) zu berücksichtigen. Für die Implementierung der Änderungen gilt eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2024. Diese 7. Novelle der MaRisk enthält im Kern folgendes:

  • Ergänzende und detailliertere Regelungen für die Kreditvergabe und -überwachung aus den Leitlinien 2020/06 der European Banking Authority (EBA)
  • Neue, prüfungsrelevante Anforderungen für den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken im Sinne von ESG
  • Einen neuen Abschnitt mit Anforderungen an Modelle, die im Risikomanagement verwendet werden müssen
  • Konkretisierte Anforderungen an die Geschäftsmodellanalyse
  • Mindestanforderungen für das Immobiliengeschäft

Abb. 1: Einordnung der Nachhaltigkeitsrisiken in die Risikoartenübersicht im Sinne der MaRisk (exemplarische Darstellung)


Quelle: eigene Darstellung

Unter ESG-Kriterien versteht man die nachhaltigkeitsbezogenen Verantwortungsbereiche von Unternehmen. Bei der Risikobewertung der Kreditgeber müssen folglich diese drei Bereiche unter der Berücksichtigung von mittel- und längerfristigen Entwicklungen systematisch analysiert werden:

  • „E“ wie Environment: Umweltaspekte wie Umweltverschmutzung oder -gefährdung, Treibhausgasemissionen oder Energieeffizienzthemen
  • „S“ wie Social: Soziale Themen wie Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Diversity oder gesellschaftliches Engagement
  • „G“ wie Governance: nachhaltige Unternehmensführung wie Unternehmenswerte oder Steuerungs- und Kontrollprozesse

Neben einer Bilanz, G+V, Lagebericht und Anhang werde Nachhaltigkeitsdaten und -berichte für Kreditgespräche wesentlich.

Jedes Kreditinstitut ist gefordert (und damit auch in der Folgewirkung jeder Kreditnehmer), relevante ESG-Daten vorzuweisen, um eine angemessene Beurteilung, Steuerung und Überwachung von Risiken inkl. ESG-Risiken jederzeit sicherzustellen. Kurzgefasst: Die bekannte Notwendigkeit der zur Verfügungsstellung der Bonität mittels der wirtschaftlichen Daten einer G+V werden um die Nachhaltigkeitsdaten erweitert.

Das Fehlen oder eine schlechte „Nachhaltigkeits-Bilanz“ können voraussichtlich ab dem 2. Halbjahr 2023 die Kreditkonditionen verteuern oder die Kreditvergabe sogar unmöglich machen.

Die Integration von ESG-Daten in das Gesamtrisikoprofil und die Risikotragfähigkeitsbetrachtung wird u.a. auch Einzug in die Bonitätsbeurteilung von Kreditnehmern finden. Dabei sind Kreditinstitute gefordert, sowohl aus normativer als auch aus ökonomischer Perspektive die Zukunftsfähigkeit des Kreditnehmers zu beurteilen. Die Geschäftsmodellanalyse des Kreditnehmers mithilfe der Bilanz und G+V, dem Anhang und dem Lagebericht etc. wird folglich noch stärker auf die Zukunftsfähigkeit ausgerichtet. Schlussendlich werden die mit ESG-Risiken verbundenen, möglichen Auswirkungen bei der Festlegung der Kreditkonditionen ausschlaggebend sein.

Abb 2: Die Wirkung der 17 SDGs, der EU-Taxonomie und die Umsetzungen in nationales Recht


Quelle: eigene Darstellung

Wie wirken die 7. MaRisk Novelle und die EU-Taxonomie?

Die EU-Taxonomie ist ein europaweites Klassifizierungssystem, das vorgibt, ab wann und welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig einzustufen sind. Adressaten der Taxonomie-Verordnung sind 1. die EU-Mitgliedsstaaten, 2. die EU selbst, 3. Finanzmarktteilnehmer, die Finanzprodukte anbieten, und 4. Unternehmen, die eine nicht-finanzielle Erklärung im Zuge der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) veröffentlichen müssen.

Seit Juni 2020 ist die EU-Taxonomie-Verordnung formal in Kraft. Ab dem 1. Januar 2022 ist sie für alle Finanzmarktteilnehmer, wie Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungen und Nichtfinanzunternehmen des öffentlichen Interesses mit mehr als 500 Mitarbeitenden (sogenannte große „PIEs“) verpflichtend. Alle müssen danach offenlegen, wie taxonomiekonform ihr Finanzierungsportfolio ist (das sog. "Green Asset Ratio"). Diese Offenlegung verdeutlicht die Geschäftspolitik öffentlich und zeigt auf, wie im Rahmen der Kreditvergabe die Kapitalströme hinsichtlich der Umsetzung bzw. der Transformation der Wirtschaft in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft gelenkt werden.

Die 7. Novelle der MaRisk soll die Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) für die Kreditvergabe und Überwachung in nationales deutsches Recht umsetzen. Es handelt sich dabei um Verwaltungsanweisungen, die mit einem Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für die Ausgestaltung des Risikomanagements in deutschen Kreditinstituten veröffentlicht wurden. Damit werden die ESG Anforderungen unter Berücksichtigung eines Proportionalitätsprinzips in das Risikomanagementsystem eines Kreditinstituts integriert. Durch ein Risikomanagementsystem steuert ein Kreditinstitut mittels der Kreditvergabe die unterschiedlichen Risiken, die mit Sicherheiten und Risiko-Aufschlägen unterlegt, eingegangen werden.

Zukunftsfähigkeit wird im Kontext von ökologischen, sozialen, digitalen und wirtschaftlichen Potenzialen und Risiken gestaltet.

Der Bericht des Sustainable Finance Beirates der Bundesregierung betont, dass der Erfolg und die Zukunftsfähigkeit unserer Volkswirtschaft auch auf dem nachhaltigen Handeln von Finanzmarktteilnehmern basiert. Die Finanzströme sollen daher in nachhaltige Investitionen und weg von klimaschädlichen Aktivitäten gelenkt werden.

Letztendlich hängt also die Zukunftsfähigkeit der Kreditinstitute von der Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft und folglich von den Kreditnehmern ab. Das Ziel und der Wunsch eines jeden Kreditgebers ist es letztlich, das Darlehen nebst Kreditzinsen zum vereinbarten Termin vom Kreditnehmer zurückzuerhalten. Die 7. Novelle der MaRisk berücksichtigt nun den Nachhaltigkeitsgrad eines Unternehmens als entscheidenden Faktor bei der Risikobewertung und der wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Die Abfrage von ESG-Kriterien spielen folglich bei der zukünftigen Bewertung und Entscheidung von Krediten eine wesentliche Rolle.

ESG-Nachhaltigkeitsdaten können nur mithilfe der Digitalisierung gemanagt werden.

Unternehmen werden für turnusmäßige oder anlassbezogene Beurteilungen ihrem Kreditgeber Nachhaltigkeitsinformationen offenlegen müssen, um den Zugang zu Kapital zu erhalten. Die Darstellung der ESG-Apekte kann durch Einbindung in Risikoklassifizierungsverfahren oder separat (z.B. ESG-Score) erfolgen. Mittels der Klassifizierung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten anhand der EU-Taxonomie sind sie in der Lage diese Daten vorweisen. Das verschafft ihnen einen entscheidenden Vorteil sowohl bei der Kreditvergabe als auch gegenüber weiteren Stakeholdern. Fazit: Digitale Werkzeuge machen die Umsetzung dieser komplexen Anforderungen überhaupt erst möglich.

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Dr. Peter Lender
Über
Dr. Peter Lender
Dr. Peter Lender ist geschäftsführender Gesellschafter der DIGUM GmbH, DIN-ISO-zertifizierter Nachhaltigkeitsmanager und Entwickler des DigitalisierungsAudits sowie von zahlreichen Plattformen und Ökosystemen. Als zertifizierter Sanierungsberater (IFUS-Institut) ist er u.a. Mitbegründer der Geschäftsmodell-Werkstatt, sowie der DigitalisierungsAkademie. Zuvor befasste er sich mit dem Aufbau und der Positionierung von Kunden-Service und User Experience im Rahmen der Transformation von Geschäftsmodellen. Er ist Autor von Fachbüchern und Herausgeber des T4Magazins. In Konstanz hat er hat Volkswirtschaft und in Kiel Agrarökonomie studiert und anschließend als Doktor der Agrarwissenschaften promoviert. Er ist außerdem Diplom Bankbetriebswirt (ADG).
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