Es gibt zurzeit fast nichts mehr, das nicht mit dem Prädikat „nachhaltig“ versehen wird oder zumindest versehen werden könnte. Der Begriff hat sich bereits heute einen festen Platz auf jeder Set-Card professioneller "Bullshit-Bingo-Öxperten" gesichert: Bullshit Bingo. Den Begriff der „Nachhaltigkeit“ gibt es schon wesentlich länger als allgemein vermutet und als der erste Bericht des Club of Rome zu Beginn der 70iger Jahre das „Ende des Wachstums“ postulierte, ging er langsam in die Alltagssprache über. Was die konkrete Definition anbelangt, empfiehlt sich die gängige Version der UNO, genauer die der „World Commission on Environment and Development“ kurz WCED von 1987. Demnach ist Nachhaltigkeit „a development that meets the needs of the present without compromising the ability of the future generations to meet their own needs.“ Oder mit anderen Worten: „Sustainability is the capability and capacity of our own human society to continue indefinitely within the cycles of nature“.
um unsere Umgebung und Ressourcen so zu erhalten, dass das Überleben zukünftiger Generationen gesichert ist. Nachhaltige Entwicklung ist der Weg dorthin und reduziert sich dabei nicht auf den klassischen Umweltschutz, sondern umfasst drei zentrale Aspekte: Ökologie, Ökonomie und Soziales. Dieser „systemische“ Blickwinkel muss sich auch in der Praxis des Nachhaltigkeitsmanagements in Unternehmen wieder spiegeln und in im Handeln zum Ausdruck kommen.
Beim Nachhaltigkeitsmanagement geht es für jeden verantwortlichen Manager um die Frage, wie Nachhaltigkeit in den drei Bereichen Ökologie, Ökonomie und Soziales in einer Unternehmung umgesetzt und erreicht werden kann. Dabei wird deutlich, dass es nicht damit getan sein kann, allein die Verpackung von Produkten umweltfreundlicher zu gestalten oder die Energieeffizienz einer Produktionsanlagen zu steigern. Künftiges Nachhaltigkeitsmanagement muss alle Bereiche eines Unternehmens einbeziehen: Management, die Lieferanten, Kreditgebende, Gewerkschaften, Mitarbeitende, Verbraucher und Verbraucherinnen, usw. Dazu werden die Manager und Managerinnen nicht nur den Blick auf die (Um-)Welt des Unternehmens verändern und erweitern müssen, sondern auch alle Anteilseigner und Anteilseignerinnen (Stakeholder) vom Sinn und der Notwendigkeit der Umsetzung der Nachhaltigkeit überzeugen müssen.
Wo ist hier der „Need for Change“ – wo der „Sense of Urgency“? Um es plakativ zu sagen: weil es dazu keine Alternativen gibt! Der ehemalige amerikanische Vizepräsident Al Gore brachte es mit seiner „Unbequemen Wahrheit“ im Jahr 2005 exakt auf den Punkt: „Es geht nicht darum die Erde zu retten – sondern darum, unser Überleben auf diesem Planeten zu sichern.“
Erderwärmung und Klimawandel, Verletzung der Menschenrechte, Artensterben, Ressourcenverschwendung und -knappheit, Umweltzerstörung, Brandrodung, Kriege, Kinderarbeit, Finanzkrisen... die Liste der Gründe, warum es ein „Weiter so“ nicht mehr geben kann, ist lang. Wie im Zitat der WCED von 1987 geht es im Kern um unsere Verantwortung für die Lebensbedingungen aller Lebensformen heute und in der Zukunft auf diesem Planeten. Bilanztechnisch gesprochen stehen wir als Spezies auf diesem Planeten kurz vor dem Bankrott. Schon morgen kann ein „Schwarzer Schwan“ das gesamte System nachhaltig destabilisieren... So wie es aktuell die COVID-19 Kriese und der Ukrainekrieg bereits tun!
Zudem gibt es noch eine Reihe weiterer Gründe, weshalb Nachhaltigkeitsmanagement sinnvoll ist und sich unternehmerisch „rechnet“. Durch die konsequente Umsetzung eines Nachhaltigkeitskonzeptes steigern sich zum Beispiel Effektivität und Effizienz in der Produktion. Spart das Unternehmen Ressourcen, steigert es die Motivation und Leistungsbereitschaft der Mitarbeitenden und das Engagement von Kunden und Kundinnen sowie Lieferanten, verbessert das Unternehmen sein Image und seine Reputation verschafft es sich nicht zu Letzt Wettbewerbsvorteile durch seine Vorreiterrolle.
„Auch die längste Reise beginnt mit einem ersten Schritt,“ sagt ein altes Sprichwort. Für die Entwicklung und die Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie bieten sich verschiedene Konzepte und Modelle als Ausgangspunkt an. Zum Beispiel Corporate Social Responsibility (CSR) oder Corporate Citizenship (CC). Doch wie so oft in strategischen Fragen, gilt es auch hier im ersten Schritt eine attraktive Vision und ein zugkräftiges Leitbild für das „nachhaltige Unternehmen“ zu entwickeln. Ohne eine „Sehnsucht nach dem Meer“ bei allen Beteiligten funktioniert es bestimmt nicht!
Viele Unternehmen werden neben dem Digitalisierungsexperten auch einen Transformationsexperten benötigen, um Nachhaltigkeitsmanagement umsetzen zu können. Die Aktionsbereiche sind sehr vielfältig: Von Eigenkapitalsicherung und Liquiditätsplanung, über faire Bezahlung, Weiterbildung und Gesundheit der Mitarbeitenden, Arbeitsplatzattraktivität und -sicherheit, Recycling und Wertstoffkreisläufe, Supply Chain und Product Lifecycle Management, Digitalisierung und Mitarbeiterbeteiligung, Complience & Qualitätsmanagement und so weiter und so weiter... Dafür braucht es vor allem eines: Sachwissen – von interner oder externer Seite - sowohl über die Inhalte als auch über die Methoden der Umsetzung und der Kommunikation dieses Transformationsprojekts. So wird sich in den kommenden Jahren eine der Nachhaltigkeit verpflichtete Unternehmenskultur etablieren, die von allen Beteiligten gelebt wird und in sich rasant wandelnden Märkten robust aufgestellt ist. Denn eines ist bereits heute klar: „Greenwashing“ oder „Bluewashing“ zahlt sich nicht aus!