StaRUG Teil2 : Änderungen im Insolvenzrecht

StaRUG Teil2 : Änderungen im Insolvenzrecht

 
08. Februar 2021

Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen verändert das Jahrzehnte alte Insolvenzrecht grundlegend. Zukünftig steht EU-weit der Erhalt der Arbeitsplätze und des Unternehmens vor den Interessen der Gläubiger.

Das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen schafft den gesetzlichen Rahmen für ein sogenanntes „vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren″. Dieses Verfahren  soll Unternehmen weitere Möglichkeiten geben, außerhalb des eigentlichen Insolvenzverfahrens Sanierungsmaßnahmen unter gesetzlich geregelten und schützenden Bedingungen in einheitlicher Weise mit den Gläubigern zu verhandeln und umzusetzen, ohne dass es zwingend der Herstellung eines allumfassenden Konsenses unter den Gläubigern bedarf oder eine Minderheit der Gläubiger das Vorhaben blockieren können.

Erstmalig ein außergerichtliches Insolvenzverfahren

Damit werden wesentliche Änderungen der Insolvenzordnung, insbesondere eine Neugestaltung der Eigenverwaltung geregelt und erstmals in der deutschen Rechtsgeschichte ein außerinsolvenzliches Sanierungsverfahren eingeführt, das sogenannte StaRUG-Verfahren, das mit einem nach britischen Recht genannten „Restructuring Plan“ oder auch „Scheme of Arrangement“ vergleichbar ist.

Im Kern bedeutet diese Verfahrensänderung, dass Änderungen in mehr als zwanzig verschiedenen Gesetzen und Verordnungen, insbesondere in den Bereichen Wirtschaftsrecht, Gesellschaftsrecht und Verfahrensrecht, zukünftig berücksichtigt werden müssen.

Erweitering des Sanierungswerkzeugkasten

Der bisherige „Sanierungswerkzeugkasten“ wird um ein weiteres Verfahren ergänzt.
Damit verbunden ist auch eine neue Gerichtszuständigkeit. Das Restrukturierungsgericht ist grundsätzlich das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat. An dieser Stelle muss die Einleitung des außerinsolvenzliches Sanierungsverfahren durch den Schuldner angezeigt werden. Hierzu müssen ein Restrukturierungskonzept und eine Testierung vorgelegt werden, die besagt, dass die Unternehmung oder Gesellschaft von Zahlungsunfähigkeit bedroht ist, aber noch keine Zahlungsunfähigkeit  eingetreten ist!

Die Anzeige beim Restrukturierungsgericht ist nicht zwingend, jedoch genießen nur die Maßnahmen im Rahmen einer Sanierung den umfassenden Anfechtungsschutz, wenn der Restrukturierungsplan rechtskräftig vom Restrukturierungsgericht bestätigt wurden (Siehe dazu § 90 Abs. 1 StaRUG).

Restrukturierungsplan auch OHNE gerichtliche Beteiligung

Die Ausarbeitung und Abstimmung über den notwendigen Restrukturierungsplans erfordert auch grundsätzlich keine gerichtliche Beteiligung. Nur die sogenannten Instrumente und Maßnahmen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens erfordern eine Anzeige des Restrukturierungsvorhabens beim Restrukturierungsgericht und dessen Tätigwerden (siehe dazu §29 StaRUG-E) in folgenden Fällen:

  • die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (gerichtliche Planabstimmung),
  • die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans (Planbestätigung),
  • die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (Vorprüfung) und
  • die gerichtliche Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung (Stabilisierung).

Damit wird dem Schuldner von jetzt an ermöglicht, einen Restrukturierungsplan außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens mit einem gruppenübergreifenden Mehrheitsbeschluss ohne vollständige Zustimmung aller Gläubiger, umzusetzen. Zudem kann durch ein  Moratorium ein flexibles Restrukturierungsverfahren realisiert werden, welches eine Blockade durch Gläubigerminderheiten überwindet. Der Schuldner (Unternehmer, Selbständige, Einzelpersonen) kann nach 3 Jahren schuldenfrei werden; diese gilt für alle Insolvenzverfahren, die seit dem 01. Oktober 2020 beantragt wurden.

Im Falle einer eine weiteren (zweiten) Insolvenz, darf diese zukünftig erst nach elf und nicht nach zehn Jahren beantragt werden. Das zweite Insolvenzverfahren dauert dann fünf Jahre statt 3 Jahre bei der ersten Insolvenz.

Moratorium?

Vor Beginn der Arbeiten zur Ausarbeitung eines Restrukturierungsplans ist die Frage zu beantworten, ob ein Moratorium erforderlich ist. Ein Moratium ist ein auf ein Gesetz oder einen Vertrag basierendes befristetes Stillhalteabkommen bezüglich der Bezahlung erfolgter und vertraglich vereinbarter Leistungen oder fälliger Zinsen und / oder Tilgungen von Schulden.

Ein schriftliches, vertragliches Moratorium ist immer nur für die betroffenen Gläubiger relevant, wenn Uneinigkeit vorliegt oder ein Gläubiger darauf besteht. Zudem ist ein allumfassendes Moratorium allein dem Insolvenzverfahren vorbehalten und wird zudem veröffentlicht, was zumeist zu einer Stigmatisierung des Unternehmers in der Geschäftswelt führt. Auf Basis unserer Praxiserfahrung erwarten wir, dass in vielen Fällen kein Moratorium notwendig sein wird. Dieser Umstand wird das Verfahren verkürzen und ohne Information der Öffentlichkeit den gesamten Vorgang vereinfachen.

Zugangsvoraussetzungen zum präventiven Restrukturierungsrahmen:

Zugangsvoraussetzungen zum präventiven Restrukturierungsrahmen: im Rahmen des StaRUG.

Um einen formellen Insolvenzantrag aufgrund der durch die Pandemie bedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu stellen wird der bisherigen zwölfmonatige Prognosezeitraum für die Fortführungsprognose bis zum 31. Dezember 2021 b. a. w. auf vier Monate eingegrenzt und verkürzt.

Haftungsregelungen in einer zentralen Vorschrift harmonisiert.

Die über verschiedene Gesetze im Gesellschaftsrecht verstreuten Haftungsregelungen für verbotene Zahlungen im Rahmen eines drohenden Insolvenzverfahrens werden in einer zentralen Vorschrift des Insolvenzrechts harmonisiert. Schuldner, die diese neue Möglichkeit der Eigenverwaltung im Rahmen eines Restrukturierungsplans nutzen möchten, müssen den neu eingerichteten Restrukturierungs-Gerichten glaubhaft versichern, dass sie eine detaillierte und fundierte Planung mit einem Planungshorizont von sechs Monaten vorlegen und diese auch jeweils mit einer Zustimmung von  75 % (nach Kapitalanteilen der Forderungen) von einzelnen Gläubigergruppen mitgetragen wird.

Verschärfung der Regelungen in Eigenverwaltung

Die Regelungen zur gerichtlichen Anordnung eines Verfahrens in Eigenverwaltung wurden im allgemeinen Teil des Insolvenzrecht für den Schuldner verschärft. Damit soll verhindert werden, dass ungeeignete Schuldner ohne positive Fortführungsprognose die Eigenverwaltung zum Nachteil von Gläubigergruppen ausnutzen.

Ist die Überschuldung der zwingende Insolvenzgrund, wird der Zeitraum für die Fortführungsprognose auf zwölf Monate verkürzt. Bisher war ein Prognosezeitraum von bis zu 24 Monate (jeweils aktuelles und folgendes Geschäftsjahr) Usus.

Gemäß § 94 StaRUG erhält der Schuldner die Möglichkeit, im Falle von wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten eine gerichtlich bestellte Sanierungsmoderator*in in Anspruch zu nehmen. Diese Sanierungsmoderator*in soll als unabhängige, in Sanierungs- und Restrukturierungsfragen sachkundige Person bei der Ausarbeitung einer Sanierungslösung unterstützen.

Dabei ist zwischen dem Begriff und der Funktion eines Sanierungsmoderators (einigende Funktion und gerichtlich bestellt) und Restrukturierungsbeauftragten (regelnde Funktion; freiwillig vom Schuldner eingesetzt) zu unterscheiden.

Der Schuldner ist auch frei in der Wahl des Restrukturierungsbeauftragten, sofern dieser nicht vom Gericht als Sanierungsmoderator bestellt wird. Die Bestellung einer Sanierungsberater*in erfolgt zunächst für einen Zeitraum von drei Monaten und kann auf Antrag des Moderator*in und mit Zustimmung des Schuldners und der beteiligten Gläubiger um weitere drei Monate verlängert werden.

Wenn durch den Moderator die Insolvenzreife des Schuldners beim Restrukturierungsgericht angezeigt wird, endet die Aufgabe und Bestellung des Moderators. Nimmt die Schuldnerin Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens in Anspruch, bleibt die Sanierungsmoderator*in im Amt, bis der Bestellungszeitraum abläuft, sie /er durch den Schuldner abberufen wird oder ein*e alternative Restrukturierungsbeauftragte*r bestellt wird.

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Dr. Jan Gröpper
Über
Dr. Jan Gröpper
Dr. Jan Gröpper ist Inhaber des Instituts für Unternehmensberatung, das Unternehmen des Automobilhandels in wichtigen Entscheidungssituationen begleitet. Der Bankkaufmann und promovierte Diplomkaufmann war zuvor Marketingchef eines international tätigen deutschen Industriekonzerns und Geschäftsführer einer führenden Autohaus-Gruppe.
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