Gastronomie: Geschäftsmodelle in Zeiten der „Coronomics“

Gastronomie: Geschäftsmodelle in Zeiten der „Coronomics“

 
19. Oktober 2020

Die hygienischen Rahmenbedingungen in der Gastronomie verändern sich aktuell fortlaufend. Einerseits bleiben bekannte Zielgruppen fern, andererseits ist die Nachfrage nach Essen und Trinken in Geselligkeit ungebrochen. Dieses Paradoxon verstärkt sich aktuell.

Über zwei Faktoren herrscht in der Gastronomie Einigkeit. Erstens: Echte Gastfreundschaft wird auch diese Herausforderung überstehen und Zweitens: Gegessen und Getrunken in Geselligkeit wurde und wird immer! Diese Erkenntnisse verbreiten in der aktuell schwer getroffenen Branche Hoffnung und Zuversicht. Doch wie sind diese Erkenntnisse aktuell wirtschaftlich erfolgreich umsetzbar?

Fakt ist erstmal, dass nichts mehr so ist, wie es mal war. Jetzt geht es erstmal darum den Betrieb unter Einhaltung der Hygiene-Massnahmen am Laufen zu halten. Dann ist eine Lösung zu finden, wie der aktuelle Cash-Flow und die Kosten noch eine ausreichende Existenzsicherung ermöglichen. Letztlich ist die Frage zu beantworten, ob das Geschäftsmodell auch in den nächsten 5-10 Jahren in der Post-Corona-Phase noch funktionieren wird. Einige große Systemgastronomen verschwinden aktuell; junge Unternehmen mit schnell angepassten Geschäftsmodellen haben in den letzten Wochen mit Lieferdiensten, Kochboxen, online-Tastings, ghost kitchens und Picknickkörben gute Umsätze gemacht. Dabei wurden auch Megatrends wie Nachhaltigkeit, Gesundheit, Homeoffice, Vermeidung von Abfall, Urbanisierung und Regionalisierung bedient und geschickt veränderte Zielgruppen angesprochen. Kleine regionale Restaurants mit einem klaren individuellem Angebotsfokus („kleine und fokussierte Speisekarten“), ergänzt um Lieferdienste sind die Gewinner der letzten Monate gewesen. Die nachfolgende Tabelle fasst die Entwicklungen zusammen:

Entwicklungen in der Gastronomie: Vor Corona / nach Corona

Die Anpassungs-Maßnahmen der Gastronomie und das schnelle Reagieren auf Trends mil-dern den Corona-bedingten Umsatzrückgang ab.

Nutzung der Werkzeuge der Digitalisierung

Zudem kommt der Megatrend „Digitalisierung“ auch in der Gastronomie an. Zum einen in der regional geschalteten Werbung und in Form der Bestell-, Buchungs und Kundenerfassungssysteme; und dieses auch für kleinere Gastronomen. Die Vorteile und Nutzenstiftungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Komfort- und Zeitgewinn für die Kunden: Gäste können die Wartezeit verkürzen und ihre Getränke und Speisen in der Online-Speisekarte auswählen, ihre Bestellung auslösen und bezahlen. Bei der Abholung der Speisen wird der Kunde per SMS o.ä. benachrichtigt, wenn seine Speisen und Getränke abholbereit sind, ob per Lieferdienst oder persönlich.
  • Optimierte Organisation: Die Mitarbeiter*innen können sich auf den Kundenkontakt konzentrieren. Das Bringen der Speisekarte, das Aufnehmen der Bestellung „Ready to order“ und die Bezahlung, ob bar oder mit Karte, entfallen.
  • Die digitale Speisekarte ist auf der Webseite verfügbar und zudem per QR-Code auf den Tischen und der Speisekarte im Aussenbereich des Restaurants verfügbar. Damit können alle Speisen mit aktuellen Bildern und mehrsprachigen Beschreibungen jeweils tageszeitabhängig angeboten werden. Zudem können Filter nach Allergenen, vegetarisch, vegan, scharf, mild , genutzt werden.

Fokus auf Zielgruppen und Einmaligkeit

Daneben müssen auch die Öffnungszeiten und das Speisenangebot zu unterschiedlichen Tageszeiten hinterfragt werden. Weniger ist aktuell mehr und das bei klarem Fokus auf Qualität zu mittags eher kleinerem Preis. Vorbei sind die Zeiten der mittäglichen Geschäftsessen mit vielen Mitarbeiter*innen. Diese arbeiten jetzt überwiegend dezentral im Homeoffice und schätzen Mittags eher den Snack beim Bäcker oder eine Suppe oder einen Salat in der „Löffelbar“.

Nachhaltigkeit und Vermeidung von Plastikverpackungen

Der „To-Go-Trend“ wird anhalten, auch wenn irgendwann die Pandemie für beendet erklärt wird. Gastronomen müssen, unter Einhaltung der Hygienevorschriften, eine Lösung zur Abfallvermeidung anbieten, um aktuell alle Zielgruppen anzusprechen. Dabei geht es nicht darum es überstürzt und unüberlegt oberflächlich umzusetzen, sondern mit kleinen Schritten und einem Konzept die Anforderungen glaubwürdig umzusetzen. Und Achtung; die Lebensmittelskandale der Vergangenheit haben zu einem Umdenken und teilweise zu einem Boykott von Marken und Produkten der kaufkräftigen Zielgruppen geführt. Eine nicht unbedeutende Anzahl von Käufern, die auch in der Corona-Krise über Kaufkraft verfügt, steuert ihr Konsumentscheidungen anhand von erkennbaren Nachhaltigkeitskriterien. Ein liebloses vegetarisches Gericht in „Wegwerf“ Plastikschalen mit Plastiklöffeln hat keine Zukunft!

Esserlebnis und Geselligkeit müssen zelebriert werden

Der To-Go-Trend kommt bei allen Speisen und Getränken, die am besten frisch zubereitet und genossen werden (Steak, Schnitzel, frisch gezapftes Bier), an seine Grenzen. Zudem möchte nicht jeder mit Bekannten und Freunden sein Zuhause zum gemeinsam Essen teilen. Daher gilt, wenn schon Essen gehen, dann richtig. Es ist ergänzend ein weiterer Trend zu einem reservierten Tisch in einem Separee mit einer Menüfolge und begrenzten und zuvor angemeldeten Personenkreis erkennbar. Dabei wird auch individueller Gastraum mit persönlichem Service und echte sowie herzliche Freundlichkeit geschätzt und honoriert.

Fazit: Geselligkeit, aber anders

Gegessen und Getrunken in geselliger Runde wird immer, aber zukünftig anders. Ein Blick zurück auf verlassene Gasthäuser an Bundestrassen in ländlichen Lagen, verdeutlicht dieses!

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Marc Peters
Über
Marc Peters
Marc Peters ist Consultant bei der Think-Tank-Beratungsgesellschaft #FORTSCHRITT und managt u.a. die Geschäftsmodell Werkstatt. Er ist Experte in den Bereichen Geschäftsmodellentwicklung, Customer Journey, Prozessmanagement und Agiles Projektmanagement.
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