Digitalisierung denken – Renaissance der Verantwortung

Digitalisierung denken – Renaissance der Verantwortung

 
11. März 2019

Unsere Umwelt wird stetig komplexer. Alte Denkmuster greifen nicht mehr. Das FokusSystem verdeutlicht Komplexität mittels systemischer Sichtweisen und versetzt Menschen in die Lage, Zukunft zu modellieren.

Die Umsetzung der Digitalisierung zwingt Unternehmen und Gruppen von Menschen mit einem Ziel zum Umdenken. Die Zeiten, in denen Digitalisierung als rein technische Herausforderung verstanden wurde, sind längst vorbei. Zunehmend reift die Erkenntnis, dass hinter dem Buzzword Digitalisierung ein tiefgreifender Wandel steht, der eine Reihe von Fragen aufwirft. Welche Kräfte mit welchen Wirkrichtungen stecken in dieser Entwicklung und wie geht man damit um? Gibt es weitere parallele Entwicklungen, die auf Unternehmen und Gruppen wirken? Und wenn ja, wie wirken diese zusammen? Was hilft, ist eine systemische Analyse und konsequentes umdenken. Am besten gemeinsam. Und am besten methodisch und zielgerichtet. Diese Aufgaben wird uns niemand abnehmen, schon gar nicht ein Computer.

Kein Algorithmus diese Welt wird je in der Lage sein, das zu liefern, was wir jetzt dringend brauchen, um die komplexen Fragestellungen zu lösen.

Es geht um Kreativität, um neue Wege und ein neues Verständnis der Zusammenhänge und nicht zuletzt um eine neue Definition von Verantwortung in unseren Organisationen. Mit einem Fokus auf das bisherige System von Formen der Zusammenarbeit, dem sogenannten FokusSystem gelingt dieses. Dieser systemische Ansatz modelliert Komplexität, macht Entscheidungs- und Verantwortungsmuster begreifbar und schafft damit erst die Grundlage zum gemeinsamen Neu-Denken und verantwortungsbewussten Entscheiden.

Renaissance der Verantwortung

Wie wird derzeit der Begriff Verantwortung definiert? Ein Blick in den Duden gibt einen  Eindruck: „…mit einer bestimmten Aufgabe, einer bestimmten Stellung verbundene Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass (innerhalb eines bestimmten Rahmens) alles einen möglichst guten Verlauf nimmt, das jeweils Notwendige und Richtige getan wird und möglichst kein Schaden entsteht.“ Wie soll aber Verantwortung übernommen werden, wenn sich der Rahmen ständig ändert? Wenn die Themen und Märkte zunehmend komplexer und dynamischer werden? Wenn Aufgaben nicht mehr klar abgrenzbar sind?

Kurzum. (Siehe dazu die Beschreibungen einer VUCA–Welt) Die derzeitige Definition von Verantwortung stammt aus der ehemaligen „heilen“ Zeit mit eindeutigen Rahmenbedingungen und erkennbaren und nachvollziehbaren Ursache-Wirkungsverhältnissen. Diese „ehemalige Welt“ gibt es in der Realität nicht mehr! Da scheint es fast zwangsläufig, dass Reaktionsmuster von Verantwortung, die auf den Rahmenbedingungen der „ehemaligen Welt“ eher aktionistisch anmuten als planvoll, um dem zweiten Aspekt der Definition zu entsprechen – bloß keinen Fehler machen!

Eine aktuelle Interpretation des Begriffes Verantwortung muss im Kontext der Digitalisierung und der aktuellen Rahmenbedingungen gefunden werden. Alles in den zurückliegenden Jahrzehnten zum Thema Planung und Management gelehrt, gelernt und umgesetzt wurde ist zu hinterfragen. Diese Erkenntnis rüttelt an den Grundpfeilern unserer Überzeugung, dass doch nahezu alles vorhersehbar und somit planbar sein müsste. Um dann (verantwortungsvoll) umgesetzt werden zu können.

Dass der Begriff Verantwortung nach wie vor eine zentrale Bedeutung in Zeiten des Wandels und der Digitalisierung hat ist unstrittig. Es fehlt an „Mut zum Ausprobieren“, „Schaffung einer gemeinsamen Lernkultur“ sowie „Verankerung einer vernetzten und systemisch geprägten Denkhaltung im Management“. Sicher keine kurzfristig leichte Aufgabe. Aber erste Erfahrungen in Unternehmen, die diesen Weg gehen zeigen deutlich, dass es sich lohnt, erste Schritte zu wagen. Auch wenn überall Widerstände lauern. Letztlich gilt auch hier die Erkenntnis, die wir regelmäßig (gerne meist anderen) mit auf den Weg geben. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in uns selbst. Das System gerät in Bewegung. Und wir alle sind Teil davon. Jede/r einzelne!

Systemisches Fokussieren als Denkansatz

Wir hören von Megatrends und reden von Agilität, von Design Thinking, Scrum, Canvas und vielem mehr. Oftmals werden dabei einzelne Aspekte bestimmter Entwicklungen oder Instrumente in den Vordergrund gehoben und quasi als Synonym für Erfolg oder Misserfolg einer ganzen Organisation verstanden. Mit Abstand betrachtet wird jedoch schnell klar, dass alles seinen Platz hat. Und keiner der Begriffe steht allein und unumstößlich im Zentrum. Wie immer folgt das Instrument der Aufgabe und nicht andersherum. Und auch hier kommt es immer auf das richtige Mischungsverhältnis an. Und den richtigen Denkansatz! Aber wie kann dieser aussehen?

Das systemische Fokussieren hat sich als Denkansatz für komplexe Fragestellungen vielfach bewährt. Aber was steckt genau dahinter? Es ist die Kombination von Fokussierung und systemischer Denkhaltung und das Ergebnis eines Modells, welches in der Lage ist, komplexe Fragestellungen sichtbar zu machen und zu modellieren.

Im Zentrum der Herangehensweise steht immer das der Fokus auf bestehende Organisationen und damit verbundene und sichtbare Verantwortungen in einem System der Über- und Unterordnung. Es ist ein evolutionärer Ansatz zur Weiterentwicklung bestehender Unternehmen. Kein revolutionäres Neu-Gründen. Die systemische Sichtweise verdeutlicht den Status und beschreibt und verdeutlicht zugleich einen Prozess einer individuellen Lösungsfindung. Um diesen Fokus herum wird das Thema in verschiedene Ebenen sichtbar zerlegt. Einflüsse werden benannt, priorisiert und vernetzt dargestellt. Und erst wenn einzelne Kräfte und deren Auswirkungen auf das Thema abzuschätzen sind, wird der Lösungsweg erkennbar.

Es ist das „gezielte Denken andersherum und außenherum“, welches diese Methode so erfolgreich macht.

Erst recht dann, wenn mehrere Entscheider gemeinsam an einem Thema arbeiten und Lösungen am Modell entwickeln. Konzentriert und fokussiert!  Am Ende entsteht ein dreidimensionales sichtbares Modell der Reorganisation von Verantwortung. Dabei wird deutlich, welche Kräfte auf das System und vor allem innerhalb des Systems gewirkt haben und zukünftig wirken sollen. Die Komplexität, Auswirkungen von Megatrends auf die Organisation und deren Vernetzungen untereinander werden im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar und begreifbar. Und in diesem Rahmen werden die Auswirkungen von Entscheidungen werden transparent, bevor sie getroffen werden.

Am Rande stehen die Instrumente bereit, die für die Lösungsfindung dienlich sind. Sie werden wahlweise herangezogen und gezielt dort eingesetzt, wo es passt. Immer in Abhängigkeit von der zu lösenden Aufgabe. Dabei gilt: je höher der Freiheitsgrad der Aufgabestellung desto agiler die Herangehensweise.

Neues Denken braucht Raum

Ideen entstehen eher beim Spaziergang oder unter der Dusche als am Schreibtisch. Das ist statistisch bewiesen aber in der Praxis leider oftmals nur schwer umzusetzen. Im Kern bedeutet dies allerdings, dass es neben Menschen und Methoden auch eines Raumes bedarf, in dem „Anders-Denken“ erfolgreich umgesetzt werden kann. In dem eine „Energie des Aufbruchs“ erzeugt wird. Dabei muss auch hier gelten, dass der Raum dem Thema folgt und nicht andersherum. Er bildet einen Rahmen, der zum Denken anregt und die „energetische Symbiose“ von Mensch und Methode zum Schwingen bringt. „Finde einen geeigneten Raum zum Um-Denken“ – das wird eine der nächsten Herausforderungen sein.

Computer sind dumm  – Wandel kann nur von und durch Menschen erfolgen

Wenn es eine Erfolgsformel für den notwendigen Wandel gibt, dann müsste diese in der Grundversion lauten:

Einfache Erfolgsformel für Wandlungsprozesse

Mensch, Raum und Methode beeinflussen sich zweifellos gegenseitig und unterstützen bei gleichen Vorzeichen den Erfolg eines Wandlungsprozesses.

Mensch, Raum und Methode beeinflussen sich zweifellos gegenseitig und unterstützen den Erfolg des Prozesses. Oder blockieren ihn, wenn die Symmetrie nicht stimmt oder der Widerstand zu groß wird. Ein Widerstand, den wir oftmals in alten Gewohnheiten und Ansichten erkennen. Und spätestens hier greift der Faktor Zeit, der leider allzu oft in Veränderungsprozessen vernachlässigt wird. Veränderung braucht Zeit! Vor allem, wenn es um alte und lieb gewonnene Gewohnheiten und Ansichten geht. Und ja, spätestens an dieser Stelle kommt es dann auch auf den Aspekt Führung an, der bislang oftmals viel zu kurz gekommen ist. Ach ja…dabei ist bei der Führung zu beachten ist, dass auch die Märkte zunehmend dynamisch und disruptiv geworden sind, so dass nicht jedes Unternehmen den Faktor Zeit ausreichend und endlos zur Verfügung hat.

Ergänzt man die Erfolgsformel für den Wandel um diese Variablen, dann wird das Ergebnis schon schnell sehr komplex und unübersichtlich:

Erweiterte Erfolgsformel für Wandlungsprozesse

Bei der erweiterten Erfolgsformel zum Wandel ist zudem die kulturelle Ausgangssituation in Kombination mit der Wirkung der Führung zu verknüpfen und zu betrachten.


Wenn wir die Wechselwirkungen der Variablen berücksichtigen und unterstellen, dass die kulturelle Ausgangssituation einer jeder Organisation anders ist wird schnell klar, dass es die eine Lösung wohl kaum geben kann. Und spätestens jetzt wird auch deutlich, dass hinter dem Begriff Digitalisierung deutlich mehr steckt als eine rein technische (oder mathematische) Herausforderung.

Es wird kaum gelingen, einen Algorithmus zu programmieren, der diese vielfältigen und sich gegenseitigen beeinflussenden Variablen vernetzt. Und dann noch kreative Lösungen hervorbringt.
Das kann nur der Mensch! Und insbesondere können das nur diejenigen Menschen, die ein ernsthaftes Interesse an der gemeinsamen Suche nach Lösungen und deren Umsetzung haben. In diesem neuen Verständnis wird aus der Herausforderung Digitalisierung eine Einladung zum neuen WIR, zum „Gemeinsam-Denken“. Begleitet durch ein fokussierendes System, welches das systemische Verständnis in den Vordergrund stellt und dies alles in einer inspirierenden Umgebung.

So kann das gelingen, was schon mal zu Beginn der Industrialisierung vor 200 Jahren gelungen ist. Der Zeit, als zahlreiche Genossenschaften als neue Organisationsformen gegründet wurden und die Grundidee „was einer allein nicht vermag, das vermögen viele“ zum Inbegriff einer neuen wirtschaftlichen Entwicklung wurde. Die heutigen Rahmenbedingungen sind ähnlich. Einer allein wird es kaum schaffen. Es ist Zeit für eine Renaissance des Denkens – Digitalisierung denken – und eine Renaissance der Verantwortung!

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Olaf Tietgen
Über
Olaf Tietgen
Olaf Tietgen ist Leiter der Unternehmensentwicklung in der Volksbank Lübeck, leidenschaftlicher Personalentwickler, Mitinitiator des HanseLab in Lübeck und Entwickler des FokusSystems.
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