Die Umsetzungs-Falle: Führen jenseits perfekter Pläne

Die Umsetzungs-Falle: Führen jenseits perfekter Pläne

 
24. Oktober 2025

Analyse-Paralyse oder Handlungs-Momentum? In volatilen Märkten ist die Fähigkeit zur schnellen Umsetzung der entscheidende Wettbewerbsvorteil. Wie Führungskräfte eine Kultur des Handelns schaffen, die Fortschritt über Perfektion stellt.

In vielen Führungsetagen hat sich ein gefährlicher Glaubenssatz etabliert: die Jagd nach dem perfekten Plan. Das Resultat ist der gefürchtete Hockey-Stick-Effekt – monatelange Analyse-Paralyse, gefolgt von einem panischen Endspurt kurz vor der Deadline. Doch in einer Welt permanenter Disruption ist diese Jagd eine Falle. Erfolg haben nicht die besten Planer, sondern die konsequentesten Umsetzer. Wahre Stärke liegt nicht in der Eleganz der Strategie, sondern in der brutalen Effektivität ihrer Ausführung.


Grafik: Die Umsetzungsfalle: Fortschritt über Perfektion

Nach über 20 Jahren im Einkauf, zuletzt als Chief Procurement Officer bei MANN+HUMMEL, habe ich gelernt: Transformation ist die ultimative Verhandlung mit der Zukunft. Sie erfordert dieselbe Klarheit, denselben unerschütterlichen Fokus auf das Ergebnis. Heute, als Chief Performance Officer, übertragen mein Team und ich genau diese Prinzipien auf den Wandel unseres gesamten Unternehmens.

Warum Kontext das Mindset formt

Ein Appell an ein neues Mindset verhallt wirkungslos, wenn der Kontext ihn nicht trägt. Führungskräfte sind Architekten dieses Kontexts – sie gestalten Prozesse, steuern Kommunikation und definieren, was als Erfolg gefeiert wird.

Die Bewährungsprobe für diesen Ansatz folgte 2024 bei der globalen Neuaufstellung unserer Kreditorenbuchhaltung. Die Verlagerung in ein Shared Service Center bei gleichzeitiger Einführung neuer Software führte zu einem klassischen „Blame Game“ über Zeitzonen hinweg.

Der Durchbruch kam erst, als wir radikale Eigenverantwortung einforderten. Eine funktionsübergreifende Taskforce schuf nicht nur technische Lösungen, sondern vor allem psychologische Sicherheit. Indem wir aufhörten, Schuldige zu suchen, und stattdessen eine „One Team“-Haltung vorlebten, entstand die Vertrauensbasis, die jede tiefgreifende Veränderung erst ermöglicht.

Vom Silo zur „War Room“-Dynamik

Die wirksamsten Lösungen entstehen an den Schnittstellen, nicht in den Silos. Als der Inflationsschub 2022 nach dem Angriff auf die Ukraine die Kosten explodieren ließ, wurde dies zu unserem strategischen Wendepunkt. Statt auf perfekte Datentools zu warten, die Monate gebraucht hätten, aktivierten wir eine „War Room“-Dynamik. Ad-hoc-Teams aus Einkauf und Vertrieb improvisierten in täglichen Meetings und schufen so in kürzester Zeit die nötige Transparenz, um mit Kunden und Lieferanten gleichermaßen handlungsfähig zu bleiben. Diese Erfahrung hat nicht nur eine Krise gelöst, sondern einen neuen Muskel innerhalb der Organisation trainiert: die Fähigkeit, unter Druck crossfunktional zu agieren und Geschwindigkeit über formale Perfektion zu stellen.

Mit Zielbildern und OKRs vom Planen zum Umsetzen

Um Geschwindigkeit und Richtung zu synchronisieren, nutzen wir eine Methode, die die Zukunft in die Gegenwart holt: das B-A-Denken. Wir starten nicht bei der Analyse der Gegenwart (Punkt A), sondern bei einem ambitionierten, emotional verankerten Zielbild der Zukunft (Punkt B). Von dort aus arbeiten wir rückwärts und definieren die „Puzzlestücke“ – die Initiativen, die die Lücke zwischen Vision und Realität schließen.

Ein Beispiel: Statt zu fragen „Wie können wir unsere Durchlaufzeit von 45 auf 40 Tage reduzieren?", fragen wir „Wie sieht eine Organisation aus, die Kunden in 15 Tagen beliefert?" Von diesem Zielbild aus arbeiten wir rückwärts und definieren die „Puzzlestücke" – die Initiativen, die die Lücke zwischen Vision und Realität schließen.

Diese Initiativen übersetzen wir in Objectives and Key Results (OKRs). Sie machen den Erfolg messbar und die Verantwortung unmissverständlich. Jedes Objective beschreibt das „Warum" und „Was", jedes Key Result das „Wann" und „Wieviel".

In kurzen Sprints – typischerweise Quartale – wird der Fortschritt vorangetrieben. Regelmäßige Check-ins, die auf drei simplen Fragen basieren, ersetzen endlose Status-Meetings:

  1. Erreichst du dein Ziel? (Binäre Klarheit)
  2. Machst du Fortschritte? (Momentum-Check)
  3. Brauchst du Hilfe? (Hindernisse identifizieren)

Diese Routine schafft Rhythmus und Transparenz. Der gefürchtete Hockey-Stick-Effekt wird vermieden, und eine Kultur der kontinuierlichen Umsetzung verankert sich in der DNA des Unternehmens.


Grafik 2 Von der Vision zur Umsetzung mithilfe von OKRs

Fortschritt ist der neue Maßstab

Am Ende zählt nicht, wie brillant die Strategie auf dem Papier war, sondern welches Ergebnis sie in der Realität erzielt. In einer Ökonomie der Unsicherheit ist „Fortschritt statt Perfektion“ mehr als ein Slogan – es ist ein Prinzip und eine Philosophie. Es bedeutet, den Mut zu haben, zu starten, die Intelligenz, unterwegs zu lernen, und die Disziplin, Kurs zu halten. Organisationen, die diesen Rhythmus meistern, entwickeln die entscheidende Fähigkeit des 21. Jahrhunderts: die permanente Anpassungs- und Umsetzungsfähigkeit.

..
Hanno Höhn
Über
Hanno Höhn
Hanno Höhn ist Chief Performance Officer bei MANN+HUMMEL. Als Leiter des Perfor-mance Office treibt er die Umsetzung der globalen Transformation des Unternehmens voran und stellt sicher, dass aus Strategie messbare Ergebnisse werden. Hanno Höhn hat mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Leitung und Umsetzung strategischer, operativer und finanzieller Initiativen in der Automobil- und Filtrationsindustrie. Nach verschiedenen Führungspositionen in Deutschland und den USA übernahm er 2010 die globale Verantwortung für den Einkauf des Filtrationsexperten. Bevor Hanno Höhn 2004 zu MANN+HUMMEL kam, war er kaufmännischer Leiter beim Schuhhersteller Salamander. Er hat einen Abschluss in International Business und einen MBA der York University in Toronto, Kanada.
Alle Beiträge von Hanno Höhn