Die neue Vollzeit: 9 Monate arbeiten und 3 Monate frei

Die neue Vollzeit: 9 Monate arbeiten und 3 Monate frei

 
31. Oktober 2023

Nicht einfach nur mehr Flexibilität: New Work fordert ein grundsätzliches Umdenken beim Thema Vollzeit-Arbeit. Warum eine 40-Stunden-Woche und nur 24 Urlaubstage im Jahr, wenn kürzeres Arbeiten nachweislich mehr Umsatz, bessere Qualität und höhere Motivation bringt? 

Zahlreiche Studien belegen inzwischen, dass eine geringere Arbeitszeit zu höherer Produktivität führt. Schon 2007 veröffentlichte die Hans Boekler Stiftung einen entsprechenden europäischen Vergleich und nun sind auch die Ergebnisse des bisher größten Feldversuchs einer 4-Tage-Woche publiziert: 61 britische Unternehmen mit insgesamt knapp 3.000 Mitarbeitende für sechs Monate seit Juni 2022. Darin gaben 71 % der Beschäftigten an, weniger stark unter Burnout zu leiden, 57 % weniger verließen ihr Unternehmen, die Krankentage gingen um 65 % zurück und zusätzlich zu den so gesparten Kosten stiegen die Firmeneinnahmen durchschnittlich um 1,4 %.

Auf der Ebene persönlicher Erfahrung ist das längst bekannt: Wer mehr Zeit hat, sich auszuruhen und nachzudenken, arbeitet effizienter, qualitativ hochwertiger und vor allem mit mehr Freude. Trotzdem ist natürlich einmal eine Grenze erreicht. Wie viel kürzer arbeiten ist also noch profitabel?

Ein guter Ansatz ist die schon erwähnte 4-Tage-Woche. Ein anderer ist, neun Monate lang fünf Tage zu arbeiten und drei Monate freizumachen. Je nach persönlicher Vorliebe oder auch nach Art des Geschäfts kann die 9-zu-3-Methode die sinnvollere Alternative sein – gerade für kleinere Unternehmen im Dienstleistungsbereich und für Selbstständige, die eher projektbasiert arbeiten. Für diese Unternehmungen sind zudem deutlich mehr als 1,4 % Umsatzsteigerung möglich. Der Durchschnitt liegt bei einem anderthalbmal bis doppelt so hohen Jahresumsatz. Bei mir selbst war es ein Sprung von 60.000 Euro auf 200.000 Euro.

Die 9-zu-3-Methode

Leider reicht es in der Regel nicht aus, einfach von Oktober bis Dezember das „Geschlossen“-Schild vor die Tür zu hängen. Damit die 9-zu-3-Methode – insbesondere mit entsprechender Umsatzsteigerung – funktioniert, bedarf es einer schrittweisen Anpassung von Vertrieb, Angebot, Preisen und Arbeitsweise.

Schritt 1: Fokus auf Personal Branding

Personal Branding im Geschäft bedeutet, beim Kommunizieren mit Kunden und Partnern die eigene Persönlichkeit nicht zu verbergen oder künstlich abzuändern. Ganz im Gegenteil: Man stellt sie möglichst authentisch in den Vordergrund, sodass der Kunde nicht mehr in erster Linie das Produkt oder die Dienstleistung kauft. Vielmehr „kauft“ er die Person, die beides anbietet.

Viele Unternehmende zwingen sich immer noch zu einem nach ihrem Glauben notwendigen Auftreten und schaden sich damit. Das Problem an Geschäftsverhalten, das der eigenen Persönlichkeit widerspricht, ist: Der Kunde merkt es. Er merkt die Diskrepanz, er merkt die Lüge und entscheidet instinktiv für sich: Wo Selbstbetrug herrscht, ist der Betrug nicht weit. Von Menschen, die lügen, wollen wir nichts kaufen.

Schritt 2: Hochpreisig verkaufen

Ein intensiviertes Personal Branding erlaubt höhere Preise. Wenn der Kunde vor allem den Anbieter haben möchte und nicht in erster Linie ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung, lässt er sich von Preisvergleichen seltener abschrecken.

Hinzu kommt die Marktentwicklung: Versammelten sich früher wenige hochpreisige Produkte an der Spitze der Angebotspyramide, multipliziert und diversifiziert sich dieses Segment inzwischen zu einem Sanduhr-Effekt. Hochpreisigkeit geht also in die Breite und wird deutlich weniger als anmaßender Elitismus wahrgenommen.

Abb. 1: Marktwandel

Warum die Preissteigerung? Mit höheren Preisen braucht man weniger Kunden, um den nötigen Umsatz einzufahren. Man gewinnt also Zeit. Die Akquise ist weniger gehetzt und kann gezielter auf Wunschkunden erfolgen. Außerdem hat man mehr Freiraum, sich um die akquirierten Kunden zu kümmern und die eigene Arbeitsqualität zu steigern.

Schritt 3: Ungeliebtes abgeben, geliebtes priorisieren

Die so gewonnenen Kapazitäten kann man noch einmal erhöhen, indem man alles, was man nicht selbst tun muss und vor allem nicht tun möchte, abgibt. Gerade für ein Geschäft, das auf Personal Branding setzt, ist es wichtig, dass der Kunde die Freude und Leidenschaft spürt, die man in seine Arbeit steckt. Das fällt schwer, wenn man einen Teil davon nicht mag. Muss etwas Ungeliebtes gemacht werden, warum es also nicht an einen Mitarbeitenden oder Kooperationspartner abgeben, der es vielleicht sogar gern und damit wahrscheinlich auch besser macht?

Im Gegenzug hat man mehr Zeit für das Kerngeschäft: Also das, was am meisten Spaß macht und gleichzeitig den direktesten Umsatz bringt.

Schritt 4: Besser arbeiten durch Freizeit

Der letzte Schritt funktioniert dann ganz ohne eigenes Zutun: Aus einem mehrmonatigen Urlaub kommt man so gestärkt und positiv, mit vielen neuen Ideen, Vorhaben und einem Umsetzungswillen zurück, dass sich die Performance in den Arbeitsmonaten noch einmal wie durch Magie verbessert – und dadurch auch der Umsatz:


Abb 2.: Umsatz nach Urlaub

Müssen es also wirklich drei Monate Urlaub am Stück sein? Nein. Die drei Monate stehen beispielhaft für den Freiraum, den jeder benötigt. Ein Kunde von uns nimmt bewusst nur zwei Monate, andere verteilen die drei Monate im Jahr – so wie wir 2023.

Alle aber haben nach ihrem ersten Jahr 9-zu-3 nicht mehr den Eindruck, nur Teilzeit zu arbeiten, sondern den Weg in eine sehr viel gesündere und erfüllendere Vollzeit gefunden zu haben.

..
Manuel  Spors
Über
Manuel Spors
Manuel Spors unterstützt als "Be Different"-Experte Unternehmer dabei, aus der Masse ihrer Mitbewerber herauszustechen. Der einstige Hochzeitsfotograf ist inzwischen international gefragter Trainer und Keynote Speaker für Vermarktungsthemen und unterhält eine eigene Akademie für Verkaufstraining. Seit 2021 arbeiten er und sein Team nur noch neun Monate im Jahr. Sein Buch „9 Monate arbeiten & 3 Monate frei“ erschien am 25. Oktober 2023 im Goldegg Verlag Wien. Website: www.manuel-spors.com
Alle Beiträge von Manuel Spors