Datenkooperationen zur Verringerung des Kreditgeberrisikos

Datenkooperationen zur Verringerung des Kreditgeberrisikos

 
25. Oktober 2022

Digitale Vorgänge sind zunehmend ein wesentlicher Bestandteil von Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen (KKMU). Das Lesen und Interpretieren dieser Daten lässt eine präzise Vorhersage der Rückzahlungsfähigkeit und -Bereitschaft des Kreditnehmers ableiten. Dadurch wird die Kreditrisikobewertung erheblich verbessert.

Senkung der Risiko-Kosten für KKMU und Verringerung des Kreditgeberrisikos.

Obwohl Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen (KKMU) weltweit mit ihren Arbeitsplätzen das Rückgrat der lokalen Volkswirtschaften bilden, haben sie Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Fremd-Betriebskapital. Diese Finanzierungslücke muss geschlossen werden, um einen integrativen, nachhaltigen und globalen Aufschwung zu erreichen, der ein nachhaltiges Wachstum von KKMU und deren Arbeitsplätzen ermöglicht. Auf schätzungsweise 5,2 Billionen US-Dollar beläuft sich die weltweite Finanzierungslücke und hat sowohl nachfrage- als auch angebotsseitige Ursachen. (IFC, 2017)

Auf der Nachfrageseite behindern oftmals langsame, undurchsichtige, bürokratische und schwerfällige Kreditantragsverfahren KKMU bei der Kredit-Antragstellung. Auf der Angebotsseite beurteilen Kreditgeber die Bewertung des Kreditrisikos von KKMU als kostspielig und schwierig. Zudem erfordert die Kundenakquise über Makler oder Vermittler häufig intensive manuelle und kostspielige Prozesse. (IFC, 2017)

2 Grafik zu T4Magazin Artikel von Mei Lin Fung

Die von KKMU erzeugten Daten stehen nicht zum Vorteil der KKMU bei der Kreditvergabe zur Verfügung.

Jedes Mal, wenn KKMU und ihre Kund:inn:en Cloud-basierte Dienste nutzen, Bankgeschäfte abschließen, digitale Zahlungen tätigen oder annehmen, im Internet surfen, ihre Mobiltelefone benutzen, sich in sozialen Medien engagieren, online bewertet werden, elektronisch kaufen oder verkaufen, Pakete versenden oder ihre Forderungen, Verbindlichkeiten und Aufzeichnungen online verwalten, schaffen und vertiefen sie ihre digitalen Fußabdrücke.

Die Erschließung dieses in Echtzeit erfassten und verifizierten digitalen Fußabdrucks von KKMU kann ohne die traditionellen Informationsanforderungen in bisher unbekanntem Umfang, sowie unbekannter Vielfalt, Geschwindigkeit und Menge, Daten für schnellere Kreditentscheidungen liefern. (IFC, 2017) Solche Daten können auch bei der Gestaltung geeigneter Produkte und Kreditprodukte von Vorteil sein und die schnelle Anstellung von neuen Mitarbeitenden ermöglichen.

"Daten haben einen Wert, der über die privaten Interessen eines einzelnen Unternehmens hinausgeht. Da Daten repliziert werden können, lassen sie sich mit anderen Daten zu relativ geringen Kosten kombinieren. Diese Kombination von Datensätzen kann zusätzliche Erkenntnisse liefern und ist ein Grund dafür, dass viele der größten Technologieunternehmen in den letzten Jahren so schnell an Wert gewonnen haben. Dies erklärt auch das Entstehen eines wachsenden Marktes für personenbezogene Daten, auf dem Käufer für Daten bezahlen und diese nutzen, um die Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen zu verbessern. Es erklärt außerdem, warum Regierungen auf der ganzen Welt versucht haben, die Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten zu regeln, um die Rechte des Einzelnen, u. a. durch Vorschriften wie die Datenschutz-Grundverordnung in der EU, zu schützen." (Bank of England, 2020, eigene Übersetzung)

Digitaler Fußabdruck der KKMU als Nachweis der Bonität.

Neue datengetriebene Lösungen sollten entstehen, um den digitalen Fußabdruck für bessere Dienstleistungen und Finanzierungsmöglichkeiten für KKMU zur Verfügung zu stellen. Die Entwicklung erfordert die Beteiligung von politischen Entscheidungsträgern, Regulierungsbehörden, Banken, digitalen Kreditgebern, Dienstleistern, Technologieunternehmen und Vertretern von KKMU.

Die IFC (International Finanz Corporation) empfiehlt den politischen Entscheidungsträgern, Maßnahmen zu unterstützen, die den Wettbewerb verbessern und die es Finanzinstituten ermöglichen, diesbezüglich Dienstleistungen für KKMU anzubieten. Konkret geht es um die "Förderung der Verfügbarkeit von Kreditinformationen durch Verbesserung der Unternehmensbuchhaltung und Unterstützung des Informationsaustauschs zwischen Parteien, einschließlich Kreditgebern und Versorgungsunternehmen; ... und die Schaffung eines günstigen Umfelds für die Förderung von Innovationen." (IFC, 2017, eigene Übersetzung)

"Der direkte Zugang zu den Salden der Einlagenkonten und den Transaktionsströmen bietet Echtzeiteinblicke in die rollierenden Nettokapitalströme von KMU für Kreditentscheidungen, die den veralteten und unzuverlässigen Jahresabschlüssen von KMU oft überlegen sind. Sie liefern Indikatoren über Verkäufe, Ausgaben, Schuldentilgungen, ob das Unternehmen wächst oder schrumpft und wie gut das KMU mit Überziehungen umgeht." (IFC, 2017, eigene Übersetzung)

Die EU kann auf den Grundsätzen des Open Banking aufbauen, um Dateneigentum, Inklusion und Wettbewerb bei der Kreditvergabe an KKMU zu fördern. Sie sollte auf die Datenanforderungen und die bestehende digitale Infrastruktur in jedem Land abgestimmt werden.

Eine öffentlich-private Kooperation kann den Zugang zu Finanzdienstleistungen für KKMU verbessern.

Diese lokalen Datenversorgungsunternehmen wären nicht gewinnorientiert, hätten aber ein kommerziell nachhaltiges Geschäftsmodell. Sie könnten wie eine lokale Genossenschaft eigenständig oder Teil eines Netzwerks lokaler Genossenschaften sein. Damit sollen drei übergreifende Ziele unterstützt werden:

  1. Gleiche Wettbewerbsbedingungen für Kreditgeber und Lösungsanbieter durch die Bereitstellung eines erschwinglichen Echtzeit-Zugangs zu geprüften (Finanz-)Daten über KKMU;
  2. Neue Wege zu Wachstum, Nachhaltigkeit und Resilienz für KKMU;
  3. Verbesserter Zugang zu und Kontrolle über die von KKMU generierten Daten, wodurch die Nutzung dieser Daten für den Zugang zu Finanzierungen und Dienstleistungen erleichtert wird.

So wie regulatorische Initiativen, beispielsweise Open Banking, den Wettbewerb stärken, würde die Datennutzung selbst nicht mit dem privaten Sektor konkurrieren. Sie zielt darauf ab, eine gemeinsame Dateninfrastruktur durch eine öffentlich-private Partnerschaft bereitzustellen, um den Wettbewerb zu erhöhen und die Ergebnisse für die Verbraucher zu verbessern. (Think7 Task Force Climate and Environment, 2020) 

Grafik zu T4Magazin Artikel von Mei Lin Fung

Verbesserte Datenqualität unterstützt ein nachhaltiges Wachstum der KKMU.

Ein Datenversorungsunternehmen wird folgendes bewirken:

  • Verringerung der Datendopplung und der teuren Datenerfassung und -verarbeitung durch Kreditgeber und Lösungsanbieter.
  • Vermeidung der Notwendigkeit für KKMU, dieselben (oft veralteten und ungeprüften) Daten manuell zu konsolidieren und bereitzustellen, wodurch langwierige Antragsverfahren und betriebliche Belastungen reduziert werden.
  • Unterstützung des Wachstums des Ökosystems und Ermöglichung eines effizienten Zugangs zu Finanzmitteln und Dienstleistungen für KKMU.
  • Dienstleistungsanbieter und Kreditgeber in die Lage versetzen, in Innovationen und Mehrwertprozesse zu investieren und zu konkurrieren.

KKMU sind sowohl global als auch lokal in den Regionen das Rückgrat jeder Gemeinschaft, in der sie tätig sind. Sie verdienen unsere Aufmerksamkeit für die benötigten Rahmenbedingungen. Nur so können sie mit der Produktion dessen fortfahren, was wir alle brauchen und wollen: Produkte, Dienstleistungen, Arbeitsplätze, Ausbildungen und - was am wichtigsten ist - Wohlstand und Hoffnung als Basis für Frieden.


Quellen

  • IFC - International Finance Cooperation (2017). Alternative Data Transforming SME Finance. Online verfügbar: https://documents1.worldbank.org/curated/en/701331497329509915/pdf/116186-WP-AlternativeFinanceReportlowres-PUBLIC.pdf.
  • Bank of England (2020). Open data for SME finance: what we proposed and what we have learnt. Online verfügbar: https://www.bankofengland.co.uk/paper/2020/open-data-for-sme-finance.
  • Think7 Task Force Climate and Environment (2020). Policy Briefs for the German G7 Presidency: Global Public Private Digital Utilities for MSME Recovery and Transition. Online verfügbar: https://www.think7.org/wp-content/uploads/2022/07/Climate_Global-Public-Private-Digital-Utilities-for-MSME-Recovery-and-Transition_Singh-et-al.pdf.


Co-Autor

Benedikt Signer ist Vorstandsmitglied des People Centered Internet. Er war Programmkoordinator für Krisen- und Katastrophenrisikofinanzierung bei der Weltbank und unterstützte über 20 Länder beim Aufbau finanzieller Widerstandsfähigkeit gegen Klima- und Katastrophenschocks. Er leitete und unterstützte Projekte, bei denen über 2 Milliarden Dollar an Finanzmitteln zur Verbesserung der finanziellen Vorbereitung von Regierungen auf Schocks bereitgestellt wurden, wobei häufig Marktlösungen zum Einsatz kamen. Er arbeitete mit Ländern in ganz Südostasien zusammen und leitete unter anderem die Unterstützung der Weltbank bei der Einrichtung der Southeast Asia Disaster Risk Insurance Facility, Asiens erstem länderübergreifenden Mechanismus zur Finanzierung von Klimarisiken. Viele Projekte werden in enger Zusammenarbeit mit der Versicherungs- und Rückversicherungsbranche durchgeführt.

Benedikt hat die Global Risk Financing Facility (GRiF) mitgestaltet und leitete deren Umsetzung. Dabei handelt es sich um einen mit über 300 Millionen Dollar ausgestatteten Investitionsfonds, der Länder bei der Verbesserung der frühzeitigen Reaktion auf Klimaschocks, Katastrophen und andere Krisen unterstützt. Er hat einen Master-Abschluss in globaler Politik von der London School of Economics.

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Mei Lin  Fung
Über
Mei Lin Fung
Mei Lin Fung ist die Vorsitzende des People Centered Internet, das sie gemeinsam mit Vint Cerf gegründet hat. Sie war eine frühe Pionierin des CRM bei Oracle und war zwischen 2009 und 2013 soziotechnische Leiterin der Health Futures Initiative des US-Verteidigungsministeriums. Sie ist Mitglied des Exekutivausschusses des IEEE Society for Social Impact of Technology Committee und leitet den technischen Ausschuss für Nachhaltigkeit. Sie war 2017-18 Mitglied des Global Future Council for Digital Economy and Society des Weltwirtschaftsforums und wurde 2022 zum Fellow am Hasso-Plattner-Institut an der Universität Potsdam ernannt. Am MIT, wo sie ihren MBA machte, studierte sie bei Franco Modigliani, Robert Merton und Fisher Black. Ihren ersten Abschluss machte sie in reiner Mathematik an der Australian National University. Sie hat bei Intel und Shell Australia gearbeitet. Sie ist Staatsbürgerin von Singapur und wohnt in Palo Alto, Kalifornien.
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