Während der Klimawandel als Thema Einzug gehalten hat in Wahlprogramme von Parteien, öffentliche Diskurse, Lehrpläne von (Hoch-)Schulen und Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen, fristet das Thema Biodiversität ein Schattendasein. Das muss sich ändern!
Schnell noch einen Baum gepflanzt, ein Bienenvolk auf’s Dach und im Schnäppchenmodus ein paar Kohlenstoffzertifikate gekauft. So in etwa stellen sich viele Unternehmen ihre ökologische Nachhaltigkeitsstrategie vor. Wer es (nur) so macht, macht aber bald gar keine Geschäfte mehr.
Die meisten Unternehmer:innen beschäftigen sich inzwischen mit dem Thema Klimawandel und haben verstanden, dass die globale Erderwärmung und alle daraus resultierenden Effekte keinesfalls nur ein Problem für knuffelige Eisbären sind. Nur mühsam gelangen der Verlust von Biodiversität und Ökosystemleistungen in den Dunstkreis der Aufmerksamkeit von Entscheider:innen – und das ist schlecht, schlecht für’s Geschäft.
Was vor einigen Jahrzehnten nur Stoff für Bioleistungskurse war, geht uns alle an. Um das zu verstehen, fangen wir mal an mit einem kleinen Glossar des Lebens und der korrekten Definition von Biodiversität: Biodiversität bezeichnet die Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten, auf der Ebene von Genen, Arten und Ökosystemen. Vielfalt auf diesen drei Ebenen ist immens wichtig.
Genetische Vielfalt (Frau Schmidt ist nicht Herr Mayer, ein Pudel kein Schäferhund) bedeutet bei uns Menschen einen unermesslichen Schatz an unterschiedlichen Interessen und Fähigkeiten, darüber hinaus – bei uns und allen anderen Lebewesen - eine Vielfalt von Immunsystemen und damit eine super Versicherung gegen das Aussterben, etwa wenn eine Pandemie auftritt. Die Bedeutung von Artenvielfalt (ein Hund ist keine Katze, ein Pferd keine Giraffe) können wir uns vorstellen, wie die Nieten, die für die Stabilität eines Flugzeugflügels unerlässlich sind. Fliegt eine raus, passiert nichts, aber irgendwann ist es die eine Niete zu viel. Beim Verlust der Artenvielfalt ist das ganz ähnlich. Nur wissen wir weder, wie viele Arten es gibt, noch welche Funktion sie haben, oder welche vielleicht an neuralgischen Orten agieren, die für die Funktionsweise ganzer Ökosysteme und ihrer Leistungen unerlässlich sind.
Ökosysteme (eine Wüste ist kein Korallenriff, ein Regenwald keine Wiese) schließlich umfassen Lebewesen an einem Ort und die Verbindungen, die zwischen ihnen bestehen, vom Räuber-Beute-System bis zur Funktion eines Wassereinzugsgebietes. Sie sind die Basis und die Voraussetzung von und für Ökosystemleistungen. Per Definition sind Ökosystemleistungen die Leistungen der Natur, die sie für Menschen erbringt. Unterteil werden die in vier Kategorien:
Die Leistungen von Ökosystemen basieren auf Biodiversität. Verlieren wir die, verschwinden die Leistungen. Das ist hochproblematisch, können wir diese doch entweder gar nicht (fruchtbare Böden), teuer (Filtern von Luft und Wasser) oder nur unzureichend (Bestäubung) ersetzen.
Klingt irgendwie abstrakt? Dann hier mal Tacheles: Der monetäre Wert dieser Leistungen übersteigt alljährlich den des weltweiten Bruttosozialprodukts um den Faktor zwei.
Dabei sind Ökosystemleistungen nicht nur für Sektoren wichtig, die direkt natürliche Rohstoffe benötigen, zu Produkten verarbeiten, oder anderen direkten Nutzen aus ihnen ziehen, wie der Lebensmittelselktor, die Pharmabranche, oder die Tourismuswirtschaft, sondern über die Sicherung stabiler Rahmenbedingungen für jeden Wirtschaftszweig. Nehmen Biodiversität und Ökosystemleistungen ab, wird unsere Welt insgesamt unvorhersagbarer, treten Krisen häufiger auf und werden soziale Konflikte bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen häufiger. Das alles ist wissenschaftlich gut untersucht und vielfach belegt.
Alle Unternehmen in allen Sektoren sollten verstehen, wo die eigenen Abhängigkeiten von Biodiversität und Ökosystemleistungen liegen und wo das eigenen Geschäft auf sie einwirkt.
Der seriöse Umgang mit dem Thema macht das eigene Geschäft zukunftssicher und schützt vor üblen Überraschungen.
Wichtig ist, zu erkennen, dass „Greenwashing“, sei es aus Unkenntnis oder absichtlich, unbedingt zu vermeiden ist. Mit einer Baumpflanzaktion oder den oben angesprochenen Honigbienen, wird man dem Thema nicht gerecht, mit einer zukunftsweisenden, wissenschaftsbasierten Biodiversitätsstrategie aber schon.
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