Soziale Innovation in der Nachhaltigkeits-Transformation

Soziale Innovation in der Nachhaltigkeits-Transformation

 
12. Juli 2022

Wie lässt sich der „soziale Aspekt“ im Sinne der Nachhaltigkeit messen und managen? Was haben Soziale Innovationen mit einer nachhaltigen Gesellschaft zu tun? Das Vorhaben SINA befasst sich mit dem ökologischen, sozialen und ökonomischen Potenzial von Sozialen Innovationen.

Bei der Gestaltung einer lebenswerten Zukunft geht es für Unternehmen und Organisationen um unsere Umwelt, das Klima, die Wirtschaft und eine soziale Gesellschaft. 

Es ist eine unabdingbare Perspektive, eine umweltfreundliche, klimaneutrale und sozialverträgliche Gesellschaft und Wirtschaft zu gestalten, mit der auch die nächste Generation noch Leben kann und mag. Dabei müssen alle Lebens- und Arbeitsbereiche betrachtet werden. Dazu gehört auch der Blick in die Beziehung des Unternehmens oder der Organisation zur Gemeinschaft, die Übernahme von Verantwortung und Fürsorge für alle, die an der Wertschöpfung beteiligt sind.

Im Rahmen des Vorhabens SINA – „Soziale Innovationen für Nachhaltigkeit“ arbeitet Yunus Environment Hub im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) im gemeinsamen Austausch mit Expert:innen an der Entwicklung politischer Handlungsempfehlungen zur Förderung Sozialer Innovationen. Damit soll die gesellschaftliche Nachhaltigkeitstransformation in Deutschland vorangetrieben werden.

Die nationale Strategie zur Förderung Sozialer Innovation ist Teil einer gesamtgesellschaftlichen Nachhaltigkeitstransformation zur Erreichung der Klimaziele. Diese wurde im Koalitionsvertrag der (neuen) Bundesregierung verankert und wird aktuell ausgearbeitet. Die Ergebnisse und Impulse des SINA-Vorhabens fließen in diese nationale Strategie ein.

Soziale Innovationen sind (komplexe) Prozesse, die zu gesellschaftlichem Wandel führen und soziale Beziehungen neugestalten, um das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung zu erreichen.

Soziale Innovationen können im Kontext von unterschiedlichen Unternehmen und Organisation entstehen und sind abhängig von der Mission, der Zielgruppe und der Form, den die unterschiedlichen Akteure anstreben. Dabei gibt es drei Dimensionen Sozialer Innovationen, die im Rahmen des SINA-Vorhabens zur Typologisierung von Sozialen Innovationen entwickelt wurden.

1. Formalisierungsgrad

Stark formalisierte Soziale Innovationen existieren zum Beispiel in Form von registrierten Organisationen mit formell definierter Kund:innen-Beziehung und langfristiger strategischer Ausrichtung am Markt (z.B. etablierte Sozialunternehmen). Beispiele für gering formalisierte Soziale Innovationen sind Projekte oder Bewegungen mit hoher Eigeninitiative der Nutzer:innen und undefinierten Verantwortlichkeiten (z.B. lokale Sharing-Initiativen oder Gemeinschaftsgärten auf Nachbarschaftsebene).

2. Wirkungsgrad

Im Nachhaltigkeitskontext des SINA-Vorhabens verfolgen alle Sozialen Innovationen ein klar definiertes sozial-ökologisches Ziel. Manche Soziale Innovationen entfalten eine sehr hohe Wirksamkeit bezüglich einzelner Nachhaltigkeitskriterien, während andere (noch) sehr punktuell bzw. lokal wirken.

3. Wirkungspotenzial

Eine effiziente und überregionale Skalierbarkeit, eine breite Akzeptanz auf Seiten der Nutzer:innen und der entsprechende politisch-rechtliche Nährboden sorgen für ein hohes Wirkungspotenzial einzelner Sozialer Innovationen.

Beispiele Sozialer Innovation: vielfältige und wertvolle Beiträge von einer Vielzahl von Unternehmen und Organisationen

„Grüne“ Sozialunternehmen fördern beispielsweise die Vermeidung von Lebensmittelabfällen (Too Good To Go), entwickeln umweltfreundliche Produktalternativen (HALM), treiben ein nachhaltiges Finanzwesen voran (Tomorrow) oder bieten Unternehmen neue Wege der CO2-Reduktion und -Kompensation (KlimaKarl). Andere Soziale Innovationen entstehen wiederum in Form von lokalen Landwirtschaftskooperativen (WirGarten), Energiegenossenschaften (Bündnis Bürgenergie) oder durch Plattformen, die die Wiederverwendung von Baumaterialien ermöglichen (Concular). Auch in bestehenden Unternehmen und Industrien finden sich Soziale Innovationen und bieten neue Lösungen für Herausforderungen, die sich aus dem Klimawandel und dem Bedarf einer Nachhaltigkeitstransformation ergeben. Zu letzteren zählen zum Beispiel Car-Sharing Angebote von Elektroautos (My-E-Car), aber auch neue Dialogformate unterschiedlicher Akteure, die die Sozialverträglichkeit von Veränderungsprozessen sicherstellen (Transformationsrat Rhein-land-Pfalz).

Entsprechende Anerkennung und Akzeptanz ist notwendig

Damit kreative Ideen, Geschäftsmodelle und Initiativen im Kontext der Sozialen Innovation ihre positive Wirkung als Treiber einer gesellschaftlichen Nachhaltigkeitstransformation in Deutschland nicht nur im Rahmen eines Leuchtturmprojektes oder auf lokal begrenzter Ebene entfalten, ist ihre jeweilige Verbreitung entscheidend. Neue adäquate Rechtsformen und angemessene administrative Anforderungen bilden neben weiteren Faktoren die Grundlage für die Verbreitung Sozialer Innovationen. Andere Länder wie Großbritannien und Portugal sind da bereits weiter als Deutschland, wo der Fokus aktuell noch sehr auf der Förderung technologischer Innovation liegt. SINA arbeitet an politischen Handlungsempfehlungen zu folgenden Themenfeldern:

1. Finanzierung und Förderung

Neben adäquaten Finanzierungsinstrumenten für Soziale Innovationen mangelt es vielen relevanten Entscheidungsträger:innen am Bewusstsein für Soziale Innovationen und deren Wirkungspotenzial.

2. Wirkungsmessung Sozialer Innovationen

Eine Soziale Innovation, die auf ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Ebenen zugleich wirkt, benötigt eine entsprechend mehrdimensionale Betrachtungsweise.

3. Politische und rechtliche Weichenstellungen

Rechtliche und politische Rahmenbedingungen umfassen z.B. aktuelle Gesetzgebungen in den verschiedenen umwelt- und klimaspezifischen Sektoren, branchenbezogene Regularien wie Arbeitssicherheit, Lebensmittelverordnungen oder Energiewirtschaftsregelungen, Verbraucher- und Datenschutz sowie Rechtsformen von Organisationen.

4. Technologische Potenziale & Risiken

Wie in allen Gesellschaftsbereichen, basieren auch Soziale Innovationen im Nachhaltigkeitsbereich häufig auf technologischen Entwicklungen und der entsprechenden technologischen Infrastruktur.

5. Implikationen für Arbeitsmärkte

Soziale Innovationen, die aus bestehenden Industrien und Organisationen heraus entstehen, können einen signifikanten Beitrag zur Beschäftigungssicherung und zur Sozialverträglichkeit von Veränderungsprozessen leisten.

6. Skalierung, Institutionalisierung, Expansion

Für eine effektive Skalierung und Expansion benötigen Soziale Innovationen häufig andere Maßnahmen und Instrumente als herkömmliche Geschäftsideen oder Unternehmen.

7. Systemische Perspektiven und deren Implikationen

Soziale Innovationen unterliegen als Treiber einer gesamtgesellschaftlichen Nachhaltigkeitstransformation gleichzeitig auch immer systemischen Rahmenbedingungen, zu denen sie wechselseitig in Beziehung stehen.

Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung gibt Raum für innovative Ideen und Lösungen für die Herausforderungen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Der aktuelle Fokus auf Fakten wie z.B. der Treibhausgasmessung ignoriert einen Aspekt des aktuellen kulturellen Wandels. Ein Transformationsprozess erlaubt das Aufbrechen überholter und nicht wirksamer Strukturen. Wenn dieser nachhaltig im Sinne einer positiven Fortführungsprognose sein soll, dann müssen die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales gleichzeitig und gleichberechtigt umgesetzt werden.

Im Austausch über und dem Ausbilden eines neuen Verständnisses von sozialer Interaktion liegt das Potenzial unterschiedliche Akteure zusammenzubringen, um gemeinsam aktiv zu werden. Kommunikation ist dabei ein entscheidender Faktor, um die richtige Form der Sozialen Innovation auch für das eigene Unternehmen oder die Organisation zu entwickeln. Das hilft nicht nur dabei Arbeitnehmende zu erhalten und zu gewinnen, sondern im Rahmen der anstehenden Regulatorik, eine starke Position in der Lieferkette und gegenüber Kapitalgebern zu etablieren.

Über SINA

Mit welchen spezifischen Hürden sich etablierte und entstehende Soziale Innovationen in Deutschland konfrontiert sehen und welche Unterstützungs- und Fördermaßnahmen Abhilfe schaffen können, um das Wirkungspotenzial Sozialer Innovationen zu steigern, wird im Rahmen des Vorhabens „SINA – Soziale Innovationen für Nachhaltigkeit“ im Auftrag des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) durch Yunus Environment Hub erforscht. Einen ersten Überblick über Hürden und Maßnahmenindikationen bieten das SINA Fact Sheet und der Leitartikel zu Sozialen Innovationen. Weitere Informationen zum SINA-Vorhaben finden Sie unter si-na.org.  

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Marie-Christin Lender
Über
Marie-Christin Lender
Marie-Christin Lender studierte Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit an der Leuphana Universität und machte ihren Master in zeitgenössischer Kunstgeschichte an der University of Edingburgh. Sie ist zertifizierte Nachhaltigkeitsexpertin (SDG, GRI) und hat einen Abschluss im Design-Thinking (Advanced-Track am Hasso-Plattner-Institut Potsdam). Sie ist Redakteurin des T4Magazins und des Blogs metasprung und unterstützt Unternehmungen und Organisationen bei der nachhaltigen und digitalen Entwicklung.
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