„Down The Rabbit Hole“ – Wo Denkmuster enden und Transformation beginnt

„Down The Rabbit Hole“ – Wo Denkmuster enden und Transformation beginnt

 
23. Juni 2025

Transformation ist kein Tool, sondern eine Reise. In seinem neuen Buch verbindet HansJörg Schumacher persönliche Grenzerfahrungen mit einer radikal anderen Sicht auf Wandel – irgendwo zwischen Cynefin, Carroll und Chaos.

Transformation? Bitte einmal durch den Spiegel.

„Was wäre, wenn Transformation nicht mit irgendeinem Diagramm beginnt – sondern mit einem weißen Kaninchen, das dich aus dem Alltag reißt?“ Diese Frage markiert den Einstieg in Hansjörg Schumachers Buch "Down The Rabbit Hole. Wo Führung aufhört und etwas Größeres beginnt". Und diese Frage ist keine Rhetorik, sondern ein nachdenkenswerter Auftakt zu einer Reise jenseits des Bekannten.

Statt Buzzwords oder Change-Canvas erwartet die Leser:innen eine Beschäftigung mit dem Ungewissen als eine Einladung, Transformation nicht als planbaren linearen Managementprozess zu verstehen, sondern als existenzielle Zumutung. Wer antritt, dieses Buch zu lesen, wird bald merken: Es ist kein Lesebuch. Es ist ein Spiegel und ein Sog. Und gelegentlich auch ein Schlag gegen vertraute Denkmuster.

Zwischen Cynefin und Zynismus: Wie komplex ist dein Problem wirklich?

Das Cynefin-Framework (ausgesprochen: „ku-ne-vin“) ist ein Wissensmanagementmodell zur Beschreibung komplexer Systeme mit inhärenter Unsicherheit. Es kann Führungskräften helfen, Situationen einzuordnen, Entscheidungen zu treffen und passende Handlungsstrategien zu entwickeln. Das Konzept wurde vom walisischen Wissenschaftler Dave Snowden entwickelt und ist besonders nützlich im Kontext von Komplexität, Unsicherheit und organisationalem Wandel. Cynefin hilft Entscheidungsträgern zu erkennen, in welchem Kontext sie sich befinden – also welche Art von Problem sie vor sich haben – und wie sie angemessen zu behandeln ist. Dieses Framework unterscheidet 5 verschiedene Domänen, in denen unterschiedliche Denk- und Führungsstile erforderlich sind.

1. Klar (Obvious / Apperent)

Merkmale: Ursache-Wirkung-Beziehung ist eindeutig und bekannt.

Beispiel: Einfache Routineaufgabe, z. B. Lohnabrechnung.

Empfohlene Vorgehensweise: Sense – Categorize – Respond (Erkennen - Einordnen - Handeln).

Führungsstil: Best Practice.

2. Kompliziert (Complicated)

Merkmale: Ursache-Wirkung bekannt, aber nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Expertenwissen nötig.

Beispiel: Maschinenwartung, Diagnose eines technischen Problems.

Vorgehensweise: Sense – Analyze – Respond (Analysieren - dann handeln).

Führungsstil: Good Practice (mehrere richtige Lösungen möglich).

3. Komplex (Complex)

Merkmale: Ursachen und Wirkungen zeigen sich erst im Nachhinein. Viele Unbekannte.

Beispiel: Einführung neuer Unternehmenskultur, Marktverhalten.

Vorgehensweise: Probe – Sense – Respond (Experimentieren - Beobachten - Anpassen).

Führungsstil: Emergent Practice (Lernen durch Tun).

4. Chaotisch

Merkmale: Keine klaren Ursache-Wirkung-Beziehungen, völlige Instabilität.

Beispiel: Krisensituation, Naturkatastrophe, Cyberangriff.

Vorgehensweise: Act – Sense – Respond (Schnell handeln - dann analysieren).

Führungsstil: Neue Ordnung schaffen, Stabilisierung.

5. Verwirrung / Disorder

Merkmale: Man weiß noch nicht, in welcher der vier Domänen man sich befindet.

Ziel: Die Situation klären und in eine der vier anderen Domänen einordnen.

Warum ist Cynefin wichtig? Und doch nicht ausreichend.

Cynefin verhindert Übervereinfachung komplexer Probleme. Es ermutigt zu kontextsensitivem Handeln statt „one-size-fits-all“-Lösungen. Es unterstützt agile Entscheidungsfindung. Besonders wertvoll ist es in Bereichen wie Führung, Innovation, Change Management, IT und Krisenreaktion. Und doch ist auch dieses Werkzeug nur so gut, wie es der jeweilige Anwender verstanden hat.

Ein zentrales Kapitel des Buches von Hansjörg Schumacher trägt daher den Titel „Nebel über Cynefin“ – eine dichte, fast literarisch-meditative Erkundung des gleichnamigen Frameworks von Dave Snowden. Aber statt das Modell wie üblich zu erklären, inszeniert Schumacher es als dramaturgisches Nebelfeld, durch das sich Führungskräfte mit Kompass und Scheuklappen zugleich bewegen.

Beispiele veranschaulichen: Die Geschichte eines CEOs, der voller Überzeugung ein Großprojekt agil aufsetzen will – und nach sechs Monaten an einer unsichtbaren Wand zerschellt. Im Rückblick zeigt sich: Nicht das Framework war falsch, die Haltung war es. Denn wer Komplexität mit Klarheit bekämpft, verkennt, dass beides nicht verhandelbar ist.

Es bleibt nicht beim Anekdotischen: Eine Analyse zeigt, wie wir uns selbst durch unsere Denkmodelle ein Bein stellen und wie man lernen kann, in Unsicherheit nicht zu versinken, sondern zu surfen. Das ist unbequem, aber nötig. Denn Führung in komplexen Systemen braucht weder mehr KPI noch mehr Kontrolle sondern mehr Kontakt mit dem Nichtwissen.

Heldenreise trifft Kaninchenbau

Die formale Struktur des Buches orientiert sich an der Heldenreise. Doch statt einem klar definierten Erzähler begegnet man einem vielstimmigen Ensemble: Der „Held“ Peter Herrmann, sein Mentor HansJörg selbst, sein Alter Ego HansJörg und eine ganze Wunderland-Gang aus Märzhasen, Grinsekatzen und Doppelgängern mit Business-Background. Es wird diskutiert, gestritten, gezweifelt, geträumt.

Das klingt unbekannt? Ist es auch. Und gerade deshalb ist es so kraftvoll. Denn Transformation, so die implizite Botschaft, ist kein Wissensprozess, sondern ein Bewusstwerdungsprozess. Und dafür braucht es nicht nur Modelle, sondern Mythen - nicht nur Rollen, sondern Archetypen.

Gerade diese literarisch-philosophische Ebene macht das Buch so besonders. Es ist eben kein weiterer „How-To-Guide“ für Change-Manager. Es ist ein Entwicklungsroman – für alle, die Transformation nicht als Dienstleistung einkaufen, sondern als eigene Reise erfahren wollen.

Gebrauchsanleitung für den Selbstzweifel

„Führung ist kein Coaching-Tool. Führung ist Auseinandersetzung – mit anderen und mit sich selbst.“ Dieser Satz zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Schumacher spart nicht mit Kritik an Feel-Good-Rhetorik, Konsens-Simulationen und weichgespültem Feedback-Management.

In dem „Das Bällebad der Egos“ beschreibt er mit scharfem Blick und feinem Humor die Dynamik einer Geschäftsführungssitzung, die alles sein will, nur nicht ehrlich. Der Text changiert zwischen Absurdität und Tiefe, zwischen Lachen und Schlucken. 

Schumacher schreibt auf Basis seiner jahrzehntelangen Erfahrung über Selbstzweifel nicht als Schwäche, sondern als Kompetenz. Als Voraussetzung für Entwicklung. Als Chance, sich nicht nur zu transformieren, sondern überhaupt erst berührbar zu werden – für das, was Wandel wirklich bedeutet.

Fazit: Transformation darf Spaß machen – und wird auch weh tun

"Down The Rabbit Hole" ist kein Ratgeber. Es ist eine Zumutung mit Stil. Ein Aufbrechen von Denkmustern gleich welchen Alters. Ein Reifungsprozess in Buchform. Und vielleicht das erste Business-Buch, das sich traut, gleichzeitig über Niklas Luhmann, das Cynefin-Framework, Douglas Adams und das eigene Scheitern zu schreiben – und dabei völlig ernst genommen werden will.

Es ist ein Buch für alle, die keine Antworten mehr suchen, sondern die richtigen Fragen stellen wollen. Für alle, die Transformation nicht als Projekt, sondern als Prozess begreifen, der durch sie hindurchgeht. Und für alle, die bereit sind, den Kaninchenbau zu betreten, auch wenn sie noch nicht wissen, wo sie am Ende rauskommen.

Mehr Informationen zum Buch von HansJörg Schumacher lassen sich unter dieser Website finden. 

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HansJörg Schumacher
Über
HansJörg Schumacher
HansJörg Schumacher ist Inhaber von SCHUMACHER Organisationsdesign 4.0 und geschäftsführender Gesellschafter der roloff & schumacher gmbh. Seit 25 Jahren arbeitet er als Berater, Trainer und Coach. Zu seinen Kernthemen gehören neben agiler Team- und Unternehmensführung, Führungskräfteentwicklung, Change Management, Executive Coaching auf dem Weg hin in die Arbeitswelten 4.0. Gearbeitet hat er bereits für Auftraggeber wie die Daimler AG, HSBC Bank, Generali Versicherung oder die RWE AG.
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