In der aktuellen Situation der Covid 19 Pandemie ist das Dilemma der digitalen Transformation brutalstmöglich in den Köpfen deutscher Manager angekommen – und hat zahlreiche Irrtümer und Missverständnisse aufgedeckt.
Der Schlüssel zum Wandel liegt darin, all seine Energie zu fokussieren, nicht darauf, das Alte zu bekämpfen, sondern darauf, Neues zu erschaffen. – Dan Millman, Autor
Kennen Sie auch dieses Phänomen? Sie haben in einem sozialen Netzwerk seit längerem einen Kontakt, haben vielleicht „Likes“ mit ihm geteilt oder seine Beiträge weiterempfohlen, haben vielleicht einen Gruß zum Geburtstag bekommen oder einen Glückwunsch zur neuen Position in Ihrem Unternehmen. Im Laufe der Zeit ist so ein diffuses Gefühl des „sich Kennens“ entstanden.
In meinen Beratungsprojekten mache ich immer wieder eine vergleichbare Erfahrung, wenn es in meinen Gesprächen um die „Digitale Transformation“ geht. Der Begriff geistert zusammen mit seinen Geschwistern, der „Digitalen Disruption“ und der „VUKA-Welt“ – Volatil (Schwankend, Unbeständig); Unsicher; Komplex; Ambiguität (Mehrdeutigkeit) – seit einigen Jahren durch die unterschiedlichsten Facetten der Medienwelt. Inzwischen ist er mir wie Ihnen so vertraut, wie ein guter Bekannter aus einem sozialen Netzwerk, den man zwar nie persönlich getroffen hat, von dem man aber glaubt ihn gut zu kennen.
Doch Vorsicht! Hier setzen sich sehr schnell vage Annahmen, Vorurteile und gefährliches Halbwissen rund um die „Digitale Transformation“ in unseren Köpfen fest. Wenn wir so (un-) vorbereitet an die Gestaltung unserer strategischen Agenda gehen, ist unser Scheitern vorprogrammiert.
Hier meine Top-Five der häufigsten Irrtümer rund um die „Digitale Transformation“:
Klingt eindeutig nach Bullshit Bingo – denn „Digitale Transformation“ ist weder mit dem Einführen neuer Modelle und Arbeitsmethoden noch mit der Modernisierung der Hardware erledigt. IPads sind sicher schick – doch ohne einem marktorientierten Mindset, einem Reengineering aller Prozesse und einer auf Vertrauen und Teamarbeit basierenden Unternehmenskultur wird die „Digitale Transformation“ zur Makulatur. Tayloristische Organisationsmodelle, Scientific Management und eine Kultur der Kontrolle passen nicht zu den dynamischen Märkten und digitalen Arbeitswelten von morgen – da stehen uns noch tiefgreifende Veränderungen im Wertschöpfungsprozess bevor!
Ja, die „Digitale Transformation“ ist Chefsache – kein Zweifel! Hier fallen die grundlegenden, strategischen Entscheidungen, hier wird das Budget bereitgestellt und hier ist der Nukleus der Vision einer digitalen Zukunft. Der Chef und sein Führungsteam müssen das vitale Promotorenteam des digitalen Wandels sein und permanent den Sinn und Zweck des Selbigen kommunizieren – ohne jeden Vorbehalt!
Doch leider wächst Gras auch nicht schneller, wenn man daran zieht! Voran zu laufen ohne die Belegschaft mitzunehmen und aus den Betroffenen Beteiligte zu machen, wird das Projekt scheitern lassen. Es sind die Mitarbeiter, die die „Digitale Transformation“ im Tagesgeschäft umzusetzen und dazu auch vollumfänglich überzeugt sein wollen von Sinn und Zweck der Transformation. Zwingend kommt hinzu, dass sie dafür auch befähigt sein müssen.
Nennen wir es „Digital Transformation by Order & Command“: Ja, es ist wichtig für einen Transformationsprozess, dass die Mitarbeiter sich bewusst sind, dass die Veränderungen unumgänglich sind, um das Unternehmen langfristig überlebensfähig zu halten und dynamikrobust aufzustellen. Aber es ist nicht der richtige Weg, von oben die Transformation auf der Überholspur mit hohem Druck nach unten durchzupressen.
Natürlich ist Trödeln keine Option, aber um die Mitarbeiter zu Beteiligten zu machen, brauchen sie etwas Raum zum Kennenlernen der neuen Situation, ebenso wie für die Entwicklung neuer Ideen und die Annäherung an den Markt und die Kunden.
Stop it! Die Zeiten, in denen es hieß „Der Markt wird es schon schlucken!“ sind im Zuge der Digitalisierung und des veränderten Verhaltens auf der Seite der Kunden Gott sei Dank vorbei. Zeit und Geld in nicht frühzeitig am Markt erprobte MVPs (Minimum Viable Products) bzw. zusammen mit dem Kunden entwickelte Ideen zu stecken ist heute völlig sinnbefreit. Diese Form von Aktionismus kann direkt in den wirtschaftlichen Ruin führen und zeigt krass auf, dass man eben gerade nicht verstanden hat, wie „Digital“ funktioniert.
Gerne stelle ich in dieser Situation die Frage „Haben Sie diese Mitarbeiter so wie sie jetzt sind, so eingestellt oder sind sie erst bei Ihnen so geworden?“ Wie steht es denn um die „Fehlerkultur“ in Ihrem Unternehmen? Warum scheuen sich die Mitarbeiter, Experimente zu wagen und dabei sicher auch Fehler zu machen?
Alle Mitarbeiter in der Organisation stehen vor einer radikalen Veränderung und sind gefordert den Wertschöpfungsprozess neu zu denken. Das gilt nicht zuletzt für die obere und mittlere Führungsriege. Auf den Schatz der Erfahrungen aus der Vergangenheit kann in diesem Prozess der „Digitalen Transformation“ keiner mehr bauen, denn in disruptiven, dynamische Zeiten werden Entscheidungen entlang völlig neuer Muster und Prinzipien verlangt. Regelwerke der Vergangenheit helfen nicht weiter.
Schon Albert Einstein merkte zu Recht an, dass wir Probleme nicht mit derselben Denke lösen können, durch die sie entstanden sind. Noch drastischer formulierte es Daniel Kahneman: „Die Illusion, man habe die Vergangenheit verstanden, füttert den Irrglauben, man könne die Zukunft vorhersagen und kontrollieren.“ Kurz um: Erfahrungen sind die größte Hürde für die „Digitale Transformation“!
Willkommen in der V.U.K.A.-Welt*!