Die meisten Manager haben erkannt, dass ihre Organisation schneller und beweglicher werden muss, um sich den veränderten Marktbedingungen besser anpassen zu können. Doch die agile Agenda ist lang, viele glauben, weiter zu sein, als sie sind.
Den Druck, agiler zu entscheiden, bekommen Manager jeden Tag zu spüren: Quasi über Nacht entstehen neue Geschäftsmodelle, Produkte und Services und sind sofort weltweit verfügbar. Junge High-Tech-Unternehmen drängen in gewachsene Märkte, die Plattform-Ökonomie stellt in immer mehr Branchen die tradierten Regeln des Wettbewerbs auf den Kopf. Branchengrenzen verschwimmen, Kunden und Wettbewerber sind oft nicht mehr eindeutig zu identifizieren.
Laut einer Studie, für die Sopra Steria Consulting im Februar 2018 mehr als 300 Geschäftsführer, Vorstände und Führungskräfte deutscher Unternehmen befragt hat, steht das Thema Agilität auf der Agenda deutscher Manager weit oben. So wollen zwei von drei Führungskräften schneller und individueller auf Kundenbedürfnisse reagieren. Jede zweite Firma will durch mehr Agilität konkurrenzfähig bleiben oder die eigene Innovationskraft stärken. Dabei sehen sich die meisten Entscheider schon ganz gut aufgestellt. Im Vergleich zum Wettbewerb bewerten rund 70 Prozent der Befragten das eigene Unternehmen als mindestens durchschnittlich agil.
So schätzen sich Unternehmen in puncto Agilität ein.
Doch Wunsch und Wirklichkeit scheinen an vielen Stellen noch relativ weit auseinander zu klaffen. So halten es acht von zehn Befragten zwar grundsätzlich für sinnvoll, agile Strukturen oder Methoden einzuführen, aber bereichsübergreifend agil zusammengestellte Projektgruppen kommen nur in rund 40 Prozent der Firmen und auch dort nur punktuell zum Einsatz. Agilität funktioniert nur, wenn die Entscheidungswege verkürzt werden und Entscheidungen näher am Markt und am Kunden getroffen werden.
Teams und Mitarbeiter brauchen eine größere Autonomie, um kurzfristig selbst Entscheidungen zu treffen. Eine Unternehmenskultur, die Fehler verzeiht und flache Hierarchien sind die Voraussetzung für eine agile Organisation. Das scheint den meisten Entscheidern auch bewusst zu sein. So erklären neun von zehn Führungskräften, dass sie ihre Mitarbeiter ermutigen, schnell und selbständig zu entscheiden. Drei Viertel sagen, dass in ihrer Organisation Fehlentscheidungen genutzt werden, um daraus zu lernen. Wenn es allerdings um grundlegende strukturelle Veränderungen geht, zeichnet sich ein anderes Bild. So verlagern nur vier von zehn Befragten Entscheidungen zunehmend an kundennahe Bereiche. Und nicht einmal jedes dritte Unternehmen arbeitet aktuell am Abbau von Hierarchien.
Natürlich lassen sich gewachsene Strukturen nicht über Nacht verändern und Change-Prozesse funktionieren nicht mit der Brechstange. Auf dem Weg zu agileren Entscheidungen müssen Führungskräfte viele Widersprüche managen und vor allem sich selbst immer wieder hinterfragen.
Laut unserer Studie verlassen sich neun von zehn Führungskräften bei ihren Entscheidungen stark (48 Prozent) oder sogar sehr stark (42 Prozent) auf Erfahrung und Intuition. Das ist nicht unbedingt falsch – solange sie sich darüber im Klaren sind, dass die Halbwertzeit unseres analogen Erfahrungswissens mit der digitalen Transformation dramatisch sinkt und bewährte Managementmethoden schnell ihre Wirkung verlieren.
Agil oder agiler zu entscheiden ist für mich die zentrale Managementanforderung, wenn wir von digitaler Transformation sprechen. Sie ist allerdings auch die mit am schwersten zu greifende. Die Erfahrungsberichte von Top-Entscheidern, die aktuellen Erkenntnisse aus der betrieblichen Forschung und die Anregungen aus der Natur und dem Sport im neuen Managementkompass „agil entscheiden“ von Sopra Steria Consulting und dem F.A.Z.-Institut werden beim Umsetzen der agilen Agenda unterstützen. Sie liefern allerdings keine Entscheidungsvorlagen, denn der Weg hin zu agileren Entscheidungen ist immer ein individueller.